Europa muss mit Erdo˘gan endlich Klartext reden
Wir können nicht tatenlos zuschauen, wie vor unserer Haustür Demokratie und Meinungsfreiheit demontiert werden.
Die Türkei ist auf dem Weg in die Präsidialdiktatur, Oppositionspolitiker werden unter fadenscheinigem Vorwand verhaftet, Journalisten, die dem Möchtegern-Sultan im Präsidentenpalast nicht passen, landen ebenso im Gefängnis, kritische Zeitungen werden zugesperrt. Präsident Erdoğan ist plötzlich für die Wiedereinführung der Todesstrafe, wiewohl er genau weiß, dass er mit diesem Schritt sein Land eindeutig aus jener Gemeinschaft der europäischen Länder hinauskatapultiert, in die er noch vor relativ kurzer Zeit gern hineinwollte.
Erdoğan beteiligt sich mittlerweile am Krieg in Syrien und im Irak unter dem Vorwand, er wolle dort Terroristen bekämpfen. Doch tatsächlich geht es ihm nur um eines: Er will jene kurdischen Einheiten klein halten, die seit Langem als effektivste Kämpfer den „Islamischen Staat“zurückdrängen. Nicht, weil diese Kurden eine Gefahr für die Türkei wären, sondern weil sie womöglich jenseits der türkischen Grenze einen kurdischen Staat gründen könnten. Und das wäre für Erdoğan unerträglich.
Recep Tayyip Erdoğan hat lange Zeit in Europa einen Vertrauensvorschuss genossen. Die EU wollte lange Zeit die Türkei so eng wie möglich an Europa binden, manche wollten sie sogar in die EU hereinholen. Diese Pläne hat Erdoğan mit seinem jüngsten Verhalten durchkreuzt. Er ist dabei, all jene Reformen rückgängig zu machen, die die Türkei durchlaufen hat, um EU-Mitglied werden zu können. Jetzt ist die Türkei wieder einmal auf dem Weg in die Diktatur, in der es keine politische Opposition geben darf und keine freie Presse, in der ethnische Minderheiten unterdrückt werden, in der die Justiz dem Kommando der Regierungspolitik gehorcht, in der jeder als Terrorist verdächtigt wird, der dem „großen Herrscher“nicht huldigt.
Die Europäische Union hat sich auf ein gefährliches Spiel mit Erdoğan eingelassen. Sie schickt ihm viel Geld und schaut bei all seinen Menschenrechtsverletzungen, bei seiner rücksichtslosen Verfolgung Andersdenkender weg, damit er nur ja nicht die Millionen syrischer und irakischer Flüchtlinge nach Europa aufbrechen lässt, die sich in der Türkei aufhalten.
Der EU wird nichts anderes übrig bleiben, als selbst für den Schutz ihrer Grenzen zu sorgen. Europa darf sich nicht abhängig machen von einem Politiker, der sich selbst außerhalb jener Wertegemeinschaft stellt, die den Charakter Europas ausmacht. Europa muss Erdoğan klarmachen, dass es undemokratisches, menschenverachtendes Verhalten nicht akzeptiert.