Die Rückeroberung von Rakka hat begonnen
Die Offensive auf die IS-Hochburg im Osten Syriens ist auch ein Misstrauensvotum gegen den türkischen Präsidenten.
LIMASSOL. Es war eine Frau, die im Namen der kurdisch dominierten Demokratischen Syrischen Kräfte (SDF) den Beginn der Offensive zur Rückeroberung der IS-Hochburg Rakka ankündigte. Die Zeit sei gekommen, die vom „Islamischen Staat“zur Hauptstadt seines Pseudo-Kalifats proklamierte Großstadt „aus der Umklammerung der Terrorkräfte des Dunkels“zu befreien, versprach die Frau, die mit ihrem Auftritt in der ostsyrischen Wüste die IS-Dschihadisten provozierte.
An der Offensive mit dem Codenamen „Wut des Euphrats“sollen rund 30.000 Kämpfer teilnehmen. Rund 80 Prozent von ihnen seien Araber, die als Zivilisten aus Rakka geflohen seien und sich später den SDF angeschlossen hätten, sagte die Sprecherin, deren Angaben kaum zu überprüfen sind. Für einen Erfolg der Streitmacht sollen die USLuftwaffe, amerikanische Sonderkommandos und die kampferprobten Volksverteidigungsmilizen der kurdischen YPG garantieren. Diese hatten im September die westlich des Euphrats liegende Stadt Manbidsch vom IS befreit und sich damit den Unmut der Türkei zugezogen. Ankara betrachtet die YPG als den verlängerten Arm der PKK, die letztendlich vergeblich aufgefordert wurde, sich aus der grenznahen Stadt zurückzuziehen.
Wenig später startete die türkische Armee im Verbund mit islamistischen syrischen Rebellengruppen die Operation „Schild des Euphrats“. Ziel des Vorstoßes war die Schaffung einer Sicherheitszone südlich der türkischen Grenze, was bis heute nicht vollständig gelungen ist. Trotz dieser offenkundigen militärischen Schwäche bestand der türkische Staatspräsident Erdoğan lange Zeit darauf, dass protürkische Kräfte auch bei der Befreiung von Rakka zum Einsatz kommen müssen. Ankara wollte so verhindern, dass die syrischen Kurden und ihre arabischen Verbündeten ihr ohnehin schon großes Herrschaftsgebiet südlich der türkischen Grenze weiter ausdehnen. Im Kampf gegen die IS-Terrormilizen haben die USA jedoch mit den syrischen Kurden bessere Erfahrungen gemacht als mit der türkischen Armee. Ihre am Sonntag von den SDF bestätigte Ausgrenzung ist ein amerikanisches Misstrauensvotum gegen den türkischen Präsidenten und seine politische Führung.
Militärisch gesehen kommt die Rakka-Offensive zum richtigen Zeitpunkt. Knapp drei Wochen nach dem Beginn der Mossul-Offensive wird nun der Druck auf die Terrormilizen massiv erhöht. Erstes Ziel dürfte es sein, die Verbindungsstraßen zwischen Rakka und Mossul zu kontrollieren und damit die militärischen Nachschubwege zwischen den beiden größten IS-Hochburgen zu blockieren.