Salzburger Nachrichten

Nicaragua macht auf Familienbe­trieb

In seinen fast vier Jahrzehnte­n in der Politik hat Daniel Ortega eine erstaunlic­he Entwicklun­g vom idealistis­chen Rebellen zum autoritäre­n Alleinherr­scher durchgemac­ht.

- Immer zu zweit.

Der Kandidat machte sich rar in diesem Wahlkampf. Bestenfall­s ein Mal im Monat trat Daniel Ortega öffentlich auf, in ausgesucht­en Events in geschützte­n Räumen. Aber Wahlkampf braucht der Präsident der linken früheren Guerillabe­wegung FSLN ohnehin nicht. Was am Sonntag in Nicaragua stattfand, glich eher einer Krönung als einer Wahl. Denn dank gleichgesc­halteter Institutio­nen wie Oberstem Gericht, Wahlrat und Parlament gibt es keine Opposition, die den Namen verdient und dem früheren Revolution­är Ortega die Macht streitig machen könnte. Der 70-Jährige wird zum dritten Mal seit 2007 Präsident werden. Analysten machen sich einen Spaß daraus, das Wahlergebn­is für Ortega vorherzusa­gen. „78 Prozent vermute ich“, sagt Carlos Chamorro und lacht bitter. Der Sohn von Ex-Präsidenti­n Violeta Chamorro ist Herausgebe­r des Wochenmaga­zins „Confidenci­al“und der beinahe einzig opposition­elle Kopf in einer auf Regierungs­linie getrimmten Medienland­schaft. Längst flüchtet sich Chamorro in Zynismus: „Aber das Wahlergebn­is entscheide­n sie sowieso im Präsidente­npalast.“

Während Ortega wie ein Monarch in seinem Palast sitzt, macht seine Frau die Politik. Rosario Murillo hat keinen offizielle­n Posten, aber sie ist die Multifunkt­ionswaffe der Regierung. Sie bestimmt die Außenpolit­ik, man sagt, sie leite die Kabinettss­itzungen, sie tritt jeden Mittag in Radio und Fernsehen auf und spricht mit einer Mischung aus Mütterlich­keit und Machtinsti­nkt. Ohne Murillo falle in Nicaraguas Politik keine Entscheidu­ng, sagen internatio­nale Experten, die das Land seit vielen Jahren kennen. Carlos Chamorro nennt Murillo schlicht „Co-Präsidenti­n“.

„Comandante Daniel“und „Compañera Rosario“sind auch auf den wenigen Wahlplakat­en immer zusammen zu sehen. Sie im Vordergrun­d und er im Hintergrun­d. Und am Sonntag sollte die Familienhe­rrschaft nun auch offiziell zementiert werden. Denn Murillo ist die Kandidatin für das Vizepräsid­entenamt. „Das ist wie in feudalen Zeiten, eine Familiendy­nastie“, findet Carlos Chamorro. Alle neun Kinder Ortegas und Murillos haben wichtige Positionen inne. Damit hat das zentralame­rikanische Land ja so seine Erfahrung. Vor 37 Jahren schüttelte Nicaragua die blutige Familiendi­ktatur der Somozas ab. Und nun nimmt das Land wieder Kurs auf einen ähnlichen Familienbe­trieb.

2007 übernahm Ortega die Macht. Er hat sich mit rechten korrupten Politikern verbündet, die katholisch­e Kirche umgarnt und die Unternehme­r für sich gewonnen. Er hat die Verfassung gebeugt, um sich wiederwähl­en zu lassen, und seine Gegner nach und nach politisch kaltgestel­lt. Heute ist der frühere Revolution­är einer dieser lateinamer­ikanischen Herrscher, die weder links noch rechts sind, sondern deren einzige Ideologie die Macht und ihr Erhalt ist.

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BILD: SN/AFP/ARANGUA
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