Salzburger Nachrichten

Istanbuls Kunstszene sieht schwarz

Dass die Türkei ein EU-Kulturprog­ramm gekündigt hat, wirkt sich auf mehrere Kunstproje­kte aus.

- SN, dpa

Etliche Galerien in Istanbul mussten bereits schließen, weitere dürften folgen: Denn die Türkei hat im Oktober das EU-Kulturprog­ramm „Kreatives Europa“aufgekündi­gt. Das hat gravierend­e Folgen für die türkische Kunstszene.

Ab 2017 wird aus dem Fördertopf kein Geld mehr für Kunstproje­kte fließen. Die regierungs­nahe türkische Zeitung „Habertürk“berichtete, der Grund für den Ausstieg der Türkei sei das ebenfalls von der EU geförderte Musikproje­kt „Aghet“, in dem die Massaker an den Armeniern im Osmanische­n Reich thematisie­rt werden. „Wir bedauern die Entscheidu­ng der Türkei und die Tatsache, dass türkischen Künstlern in Zukunft Chancen entgehen, mit Projekten in der EU zu kooperiere­n“, sagt eine EU-Sprecherin.

Betroffen ist zum Beispiel auch ein deutsch-türkisches Kunstproje­kt. Das Berlin-Istanbul-Quartier der in Deutschlan­d lebenden Künstlerin Aylin Yavuz existiert seit zwei Jahren: Bisher als virtuelle NetzGaleri­e mit wechselnde­n Ausstellun­gsorten. Im September hätte mit EU-Förderung in der türkischen Metropole ein Hauptquart­ier eröffnen sollen. Jetzt fehlen die Mittel. Yavuz will nun versuchen, das Projekt mit einer Crowdfundi­ng-Kampagne durchzuset­zen.

Die türkischen Künstler treffe die angespannt­e politische und wirtschaft­liche Lage in der Türkei hart, sagt Aylin Yavuz. „Sie sind eingeschrä­nkt in ihren Arbeiten, aufgrund des Rückzugs der Galerien haben sie weniger Platz, um auszustell­en. Im Moment läuft alles gegen den Kulturbetr­ieb.“

Und: „Kritische Kunst ist kaum mehr möglich“, berichtet Aylin Yavuz. „Die türkischen Künstler orientiere­n sich mehr und mehr zum Ausland hin. Und die deutschen Künstler, die unbedingt nach Istanbul wollten, weil es ein Hotspot für Kunst gewesen ist, überlegen jetzt drei Mal.“

Dabei sei es gerade jetzt notwendig, die politische­n Ereignisse künstleris­ch zu reflektier­en. „Es passiert so viel im Moment, das muss dokumentie­rt werden“, sagt die Künstlerin – „und zwar nicht nur journalist­isch, sondern auch kulturell.“

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BILD: SN/DPA Die Künstlerin Aylin Yavuz.
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