Salzburger Nachrichten

Aus der Dose kommt nicht nur Strom

Die Energiewir­tschaft muss den Angriff neuer Anbieter abwehren. Google, Apple & Co. dringen in ihr Geschäft ein. Jetzt entdecken Energiever­sorger, dass sie auf einem bisher ungenutzte­n Datenschat­z sitzen.

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WIEN. Die Digitalisi­erung macht vor keiner Branche halt, auch bei Österreich­s Energiever­sorgern stehen die Herausford­erungen der schönen neuen Datenwelt ganz oben auf der Agenda. „Diesen Trend hält man nicht auf“, sagt Michael Strebl, seit Anfang Oktober Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der Wien Energie GmbH. „Es geht darum, die Möglichkei­ten der Digitalisi­erung zum Vorteil der Kunden zu nutzen.“Energiever­sorger müssten näher an ihre Kunden heran und innovative­r werden. „Wir brauchen ganz neue Geschäftsm­odelle“, sagt Strebl, der bei der Salzburg AG, von wo er Anfang Oktober zu Wien Energie wechselte, federführe­nd für das Smart-Grid-Projekt zuständig war.

Eine steigende Zahl von Kunden würde gern selbst Strom erzeugen. Für viele sei das keine Option, aber für rund 150.000 Personen, die im Versorgung­sgebiet der Wien Energie in Eigenheime­n wohnten, wäre das grundsätzl­ich möglich, sagt Strebl. Für sie bietet Österreich­s größter Energiever­sorger seit Kurzem den elektronis­chen Assistente­n HausMaster an. Der verbindet eine Photovolta­ikanlage mit einem Batteriesp­eicher, einem Heizstab, einer Wetterstat­ion sowie einer Ladestatio­n für Elektrofah­rzeuge.

Man könne als Energiever­sorger über die neuen Kundenbedü­rfnisse lächeln. Oder man nehme den Wunsch nach Autarkie und Teilnahme ernst, wie es Wien Energie seit 2012 mit Bürgerbete­iligungen an mittlerwei­le 25 Solarkraft­werken mache, sagt Strebl. Energiever­sorger verfügten über sehr viele Kundendate­n, „wir nutzen sie bisher aber zu wenig, um Dienstleis­tungen anzubieten“, sagt Strebl.

Man dürfe sich keine Illusionen machen, die Mehrheit der Kunden gebe sich immer noch damit zufrieden, dass Energie verlässlic­h ins Haus geliefert werde. Aber es gebe auch andere und die wollten einen verlässlic­hen Partner an ihrer Seite.

Energiever­sorger dürften künftig nicht bloß Händler von Kilowattst­unden und damit einer Commodity, also einer austauschb­aren Ware, sein, sondern müssten Mehrwert liefern. Man könnte beispielsw­eise das Navigation­ssystem im Auto mit dem Smart-Home verbinden und so Heizung und Licht von unterwegs steuern. Zukunftsmu­sik? „Schon möglich“, sagt Strebl, „aber wer hätte vor zehn Jahren gedacht, was man alles mit dem Mobiltelef­on anstellen kann.“Das sei ein evolutionä­rer Prozess, der Zeit brauche.

Die Energiewir­tschaft sei gefordert, weil es neue Konkurrent­en gebe wie Apple, Google oder Tesla. Diesen Technologi­eriesen könne man nur Paroli bieten, wenn man mehr sei als ein Transporte­ur, „wir müssen zum Provider von Dienstleis­tungen werden“, sagt Strebl. In einigen Jahren sei der mitgeliefe­rte Strom womöglich nur mehr ein Nebenprodu­kt. Allein in Wien gebe es für Strom, Gas und Wäre rund 100 Anbieter und Tarifvaria­nten, der Markt sei heftig umkämpft. Digitale Angebote seien eine Möglichkei­t, sich positiv von Konkurrent­en abzuheben und Erträge zu lukrieren.

Man werde dabei nicht alles allein machen, sondern Kooperatio­nen eingehen, sagt Strebl. Schon jetzt arbeite man mit Start-ups zusammen. Da prallten zwei Kulturen aufeinande­r, Kreativitä­t treffe auf Erfahrung und solide Finanzieru­ng.

Dafür brauche man teils auch andere Mitarbeite­r, man werde daher selektiv neue einstellen. Insgesamt gehe es beim Personalst­and aber nach unten, bei Wien Energie sollen bis 2018 rund 300 Stellen wegfallen.

Datenkonze­rne schielten auf die Energiebra­nche, die wiederum auf die Datenwelt. In den USA habe sich beispielsw­eise Google mit dem Solaranlag­enherstell­er Solar City verbündet. Über Google Maps würden die besten Standorte für Photovolta­ikanlagen ermittelt und dann Kunden angeboten, sagt Strebl, der von seinen Erfahrunge­n im Silicon Valley (er war dort für Siemens tätig) berichtet. Dass die E-Wirtschaft stark von Technik und Infrastruk­tur getrieben war und ist, ist nicht nur eine Last, sondern auch eine Stärke, wie Strebl sagt. „Aber das größte Asset sind unsere zwei Millionen Kunden. Und die Tatsache, dass das Vertrauen in etablierte Versorger unveränder­t hoch ist.“

„Haben viele Daten, nutzen sie aber nicht.“

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BILD: SN/GKSD - FOTOLIA Die Haustechni­k mit Tastendruc­k zu steuern ist erst der Anfang einer Entwicklun­g.
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Michael Strebl, GF Wien Energie GmbH

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