Ausgraben statt zudecken
Zum Leserbrief von Inge Wagner vom 2. 11. „Erinnerungen an die Nazi-Zeit“: Helmuth James von Moltke wurde als treibende Kraft der später als „Kreisauer Kreis“bezeichneten Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime nach dem Hitler-Attentat am 20. 7. 1944 verhaftet und hingerichtet.
Seiner Witwe, Freya von Moltke (1911–2010), war es ein lebenslanges Anliegen, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verknüpfen. Sie wollte die Saat, die der Widerstand gegen Hitler gelegt hatte, für das Heute fruchtbar machen. 2004 wurde die Freya-von-Moltke-Stiftung Schreiben Sie uns! für das Neue Kreisau gegründet, Trägerin einer Stätte der Begegnung und Verständigung für Europas Jugend im heutigen Polen.
Ich finde es persönlich gut, dass auch dabei „alles Mögliche aus der Nazi-Zeit ausgegraben wird“, um es der Jugend vor Augen zu führen. Freya von Moltke sagte 2004 zu Studenten in den USA: „Ihr denkt, das ist alles Vergangenheit und so ist es auch. Aber ihr seid demselben Druck, denselben Anforderungen ausgesetzt wie wir damals, denn wir haben im Deutschland dieser Zeit festgestellt, wie schnell es gehen kann, dass man Rechte und Privilegien verlieren kann, und wie schnell die Ergebnisse eines langen zivilisierten Zusammenlebens verspielt werden können . . .“
Es geht beim „Ausgraben“nicht um Rache oder Vergeltung, sondern schlicht darum aufzuzeigen, wie es damals war und wer was und warum getan hat oder nicht. Das ist die einzige Chance, aus der Geschichte zu lernen und mit diesem Wissen unsere Grundrechte und Freiheit zu verteidigen. Dr. Michael Gersdorf