In den USA steht sehr viel auf dem Spiel
Beide Kandidaten sind unbeliebt. Und doch gibt es in Wahrheit keine Wahl zwischen Donald Trump und Hillary Clinton.
Die Amerikaner haben an diesem Dienstag keine gute, aber eine eindeutige Wahl. Hillary Clinton und Donald Trump starteten mit historisch hohen Negativwerten in das Rennen um das Weiße Haus. Seitdem konkurrieren sie darum, wer bei den Wählern unbeliebter ist. Da Clinton und Trump aus eigener Kraft nicht zu überzeugen vermochten, versuchten sie die Entscheidung zu einem Referendum über den jeweils anderen zu machen. Hillary leidet an der E-Mail-Affäre, die sie bis auf die Ziellinie verfolgt. Clinton erzeugte im Wahlkampf wenig von jener Aufbruchsstimmung, die mit der Perspektive der ersten „Madame Präsident“im Weißen Haus verbunden sein könnte. Stattdessen verkörpert sie das schale „Weiter so“einer diskreditierten Politikerkaste.
Doch verglichen mit ihrem Herausforderer Donald Trump wirken Clintons Defizite geradewegs banal. Der Rechtspopulist führte über die vergangenen Monate den Nachweis, weder das Temperament noch den Charakter für das wichtigste Amt der Welt zu besitzen. Die Vorstellung, ein dünnhäutiger Narzisst wie er könnte schon sehr bald mit der Hand an der Atombombe im Oval Office sitzen, bereitet zu Recht schlaflose Nächte. Seine Bewunderung für Diktatoren und die Geringschätzung der NATO irritieren so sehr wie das Versprechen, Folter und Sippenhaft zurückzubringen. Die Amerikaner werden sich nicht darauf hinausreden können, sie hätten nicht gewusst, dass Trump elf Millionen Menschen deportieren will. Niemand darf sich wundern, wenn er im Weißen Haus damit anfinge, die als „Lügenpresse“denunzierten Medien zu knebeln und politische Gegner zu verfolgen. Die physischen Übergriffe und der unerträgliche Sexismus in Trumps Gossensprache illustrieren die Verachtung, die er für Frauen übrig hat. Selbst vor den Eltern gefallener Kriegshelden und vor Behinderten macht dieser Mann keinen Halt. Es gibt jeden Grund, einen zu fürchten, der die Grenzen des Anstands so konsequent übertritt wie Trump.
Sein Appeal gründet auf die Ressentiments einer zum Teil tief verunsicherten Wählerschaft. Der Rechtspopulist ist der fleischgewordene Mittelfinger der Wutbürger. Dies ist keine normale Präsidentschaftswahl. An diesem Dienstag steht sehr viel mehr auf dem Spiel. Es geht um die Zukunft der Demokratie selbst. Die Geschichte lehrt, die Drohungen von Demagogen besser ernst zu nehmen. Die Amerikaner wissen, wer Donald Trump ist, und haben nur eine vertretbare Option: dem Hass und der Hetze dieses Volksverführers eine klare Absage zu erteilen.