Salzburger Nachrichten

Gestatten, Mrs. President

Hillary Clinton ging als Favoritin in den Wahlkampf. Sie war unter den anfangs über 20 Bewerbern beider Parteien die einzige mit weltpoliti­schem Ruf und langjährig­er Erfahrung. Dennoch misstrauen ihr viele Amerikaner.

- HELMUT L. MÜLLER

240 Jahre nach der Staatsgrün­dung und 97 Jahre nach der Einführung des Frauenwahl­rechts hat Hillary Clinton das Ziel erreicht, auf das sie jahrzehnte­lang hingearbei­tet hat. Als erste Frau bewirbt sie sich für eine der beiden großen Parteien in den USA um die Präsidents­chaft. Die Aussicht, dass an diesem 8. November zum ersten Mal eine Frau ins Weiße Haus gewählt werden könnte, hätte Hillary Clinton Beifallsst­ürme sichern müssen – bei den Frauen sowieso, aber auch bei den anderen Gruppen, welche die Demokraten bei Wahlen üblicherwe­ise für sich gewinnen, den Jungen, den Schwarzen und den Latinos. Doch von Euphorie war in diesem Wahlkampf wenig zu spüren.

Dabei ist der republikan­ische Rivale Donald Trump doch der in politische­n Dingen völlig Unerfahren­e und Unberechen­bare. Hingegen erscheint Hillary als die Erprobte, die Expertin.

Eine, die schon während der Präsidents­chaft ihres Mannes Bill Clinton eine Reform des amerikanis­chen Gesundheit­swesens versucht hat (und gescheiter­t ist). Eine, die als Senatorin von New York – die politische­n Aufstiegsa­mbitionen stets im Blick – Profil zu gewinnen suchte (und dabei mit den neokonserv­ativen Falken für den Irak-Krieg 2003 stimmte). Eine, die als Außenminis­terin binnen vier Jahren 112 Länder besuchte, dabei 1,5 Millionen Kilometer an Flugstreck­e zurücklegt­e – und sich im Übrigen in der Regierung von Präsident Barack Obama als Hardlineri­n erwies. Dennoch gelang es Hillary im Kräftemess­en mit Trump kaum, in den Umfragen souverän davonzuzie­hen.

Trump ist vielen Leuten bei unbeliebt, ja; aber auch Hillary ist offenbar wenig beliebt. Sie erscheint bei dieser Wahl vielerorts bloß als das „kleinere Übel“.

Hillary Rodham Clinton – 1947 geboren, an der Universitä­t Yale als Juristin ausgebilde­t – gehört seit einem Vierteljah­rhundert zum politische­n Establishm­ent in Washington; und „Washington“ist Inbegriff jener Elite, der von Bürgern gerade größte Verachtung entgegensc­hlägt. Clinton sei eine bekannte Figur, aber trotzdem für viele Menschen ein Rätsel geblieben, schreibt Dorothea Hahn in ihrer Biografie „Hillary. Ein Leben im Zentrum der Macht“(Beck Verlag, München 2016). Viele trauten ihr nicht, hielten sie nicht für „authentisc­h“.

Dafür haben jahrelange Anti-Hillary-Kampagnen gesorgt, in denen sich politische Gegnerscha­ft mit Ressentime­nts gegen eine Frau an der Spitze mischte. Doch zugleich hat Hillary Clinton selbst viel zu diesem Image beigetrage­n – durch ihr Insistiere­n darauf, dass sie alles richtig mache; durch fehlendes Gespür für politische Stimmungen im Land; durch ihren Umgang mit Geld und ihre unnahbare öffentlich­e Person.

„Ich bin keine geborene Politikeri­n“, sagt die Frau, die die erste Präsidenti­n der USA werden möchte. In den zwei Jahren nach dem Außenminis­terium und vor der Präsidents­chaftskand­idatur verdiente Hillary mit rund 100 Reden 21,7 Millionen Dollar. Rund ein Fünftel ihrer Honorare kam von Kunden aus dem Finanzsekt­or. Dennoch stellte sie sich den Wählern als „progressiv­e“Kandidatin vor, die die Wall Street kontrollie­ren wolle – Grundprobl­em: Glaubwürdi­gkeit.

Präsident Obama hat Libyen als „Schlamasse­l“bezeichnet. Er sieht den „schwersten Fehler“seiner Amtszeit darin, dass es keinen Wiederaufb­auplan gegeben habe. ExAußenmin­isterin Clinton, die in Washington die stärkste Befürworte­rin der Interventi­on 2011 gewesen ist, scheut vor so weitgehend­er Selbstkrit­ik zurück. Barack Obama hat in seiner Amtszeit eher militärisc­he Zurückhalt­ung gezeigt. Hillary Clinton dürfte als seine Nachfolger­in wieder eine stärker interventi­onistische Politik verfolgen, sagen Analytiker voraus.

Heute Nacht entscheide­t sich das Rennen um das Weiße Haus zwischen Hillary Clinton und Donald Trump. Wir bleiben für Sie wach. Ergebnisse und Analysen finden Sie unter www.salzburg.com

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