Mit falscher Passnummer kann Wahlkarte beantragt werden
P 1234567. Mit dieser gefälschten Passnummer kann jedermann eine Wahlkarte für andere Wähler beantragen. Droht der Bundespräsidentenwahl wegen der Sicherheitslücke weitere Anfechtung?
WIEN. Die Wahl des neunten Bundespräsidenten der Zweiten Republik erinnert viele Bürger an das Kinderbuch „Die unendliche Geschichte“. Wenige Wochen vor der Wiederholung der Stichwahl gibt es wieder Aufregung um die Wahlkarten. Zur Erinnerung: Der Verfassungsgerichtshof hat die Stichwahl wegen der zu frühen Auszählung der Wahlkarten aufgehoben. Nun tauchte eine mögliche Sicherheitslücke bei der Antragstellung zu den Wahlkarten auf.
Die Onlinezeitung nzz.at hat herausgefunden, dass in Vorarlberg jeder, der Namen und Geburtsdatum einer Person weiß, eine Wahlkarte für diese beantragen kann. Die Sicherheitskontrolle zur Antragstellung kann leicht übergangen werden – indem eine gefälschte Passnummer eingetragen wird.
Laut SN-Recherchen kann man mindestens auch in Linz, der Stadt Salzburg und in Niederösterreich die Wahlkarte einer anderen Person beantragen. Das Pflichtfeld zur Identitätsüberprüfung kann mit einer beliebigen siebenstelligen Nummer ausgefüllt werden, etwa „P 1234567“. Sofort erscheint die vollständige Hauptmeldeadresse der Person und eine Wahlkarte kann auf jede beliebige Adresse umgeleitet werden. Wer das tut und erwischt wird, dem droht bis zu ein Jahr Haft. Aus dem Innenministerium heißt es: Die Gemeinden seien für die Identitätsüberprüfung eines Antragstellers zuständig. Deshalb sehen auch die Ansuchmasken im Internet je nach Gemeinde verschieden aus. Der zuständige Sektionschef im Innenministerium, Mathias Vogl, wollte sich nicht zu den Sicherheitslücken äußern.
Das Innenministerium nennt drei Hürden, um eine Wahlkarte zu bekommen: die Antragstellung, die Ausstellung und die Zustellung. Zur Antragstellung müssen Name, Geburtsdatum und die Passnummer angegeben werden. Dann erfolgt die Ausstellung: Die Gemeinde legt für die Person eine Wahlkarte an. Hierbei müsste die Gemeinde die angegebenen Daten überprüfen.
„Der Gesetzgeber hat eine weitere Sicherung eingezogen, nämlich dass die Wahlkarte an diese Person nur eingeschrieben verschickt wird“, ist aus dem Innenressort zu hören. Das wäre die dritte Hürde – die Zustellung. Ob mit einer gefälschten Passnummer eine Wahlkarte nicht nur beantragt, sondern auch ausgestellt und verschickt wird, hängt von der Gewissenhaftigkeit der jeweiligen Gemeinde und des Postzustellers ab. Laut nzz.at überprüften die Gemeinden in Vorarlberg diese Angaben nur stichprobenartig.
Bei Bernd-Christian Funk, Verfassungsrechtler der Uni Linz, löst die mögliche Antragstellung mit einer gefälschten Passnummer Staunen aus. „Eigentlich dürfte man beim Antrag nicht mit einer falschen Nummer durchkommen.“Wie wichtig die Identitätssicherung bei der Briefwahl sei, habe das Höchstgericht bei der Aufhebung der Stichwahl im Sommer nochmals herausgestrichen. Im schlimmsten Fall wäre solch eine Sicherheitslücke „womöglich wieder ein Anfechtungsgrund“.
Der Verfassungsjurist bemängelt, dass bei Wahlkartenanträgen in den Gemeinden unterschiedliche Sicherheitshürden eingebaut wurden. In Linz wird auch eine Adresse (muss korrekt sein) und eine Telefonnummer (kann falsch sein) abgefragt. In Salzburg muss nicht einmal ein Grund für den Antrag (bettlägrig, Ortsabwesenheit) angegeben werden. „Eine Wahlkarte darf nur bei triftigen Gründen ausgestellt werden“, sagt Funk.