Neue Bibel kommt Luthers Sprachschöpfungen näher
Die Evangelischen Kirchen in Deutschland und Österreich haben die Lutherbibel in einer neuen Übersetzung herausgebracht. Das Ziel hieß nicht Modernisierung, sondern zurück zum Ursprung.
WIEN. Martin Luther ist nicht nur als „der“Übersetzer der Bibel in die deutsche Sprache berühmt geworden. Sein wortgewaltiger Duktus ist auch selbst sprachbildend geworden. Viel davon ist aber in den zuletzt in Gebrauch befindlichen Übersetzungen verloren gegangen. Vor allem die Revision von 1975 war in der Sprache zu modern geraten.
Nun sollte unter dem Motto „Bewahren, Korrigieren, Wiederherstellen“die einprägsame, pointierte und schöpferische Sprachleistung Luthers wieder deutlicher werden. Darauf wies die Direktorin der Österreichischen Bibelgesellschaft, Jutta Henner, kürzlich bei der Präsentation der neuen Bibel anlässlich des Reformationsempfangs 2016 in Wien hin. Zahlreiche sprichwörtlich gewordene Redewendungen und Formulierungen, die zuweilen überraschende Satzstellung oder einprägsame Sprachbilder Martin Luthers würden in der Lutherbibel 2017 wieder sichtbar. „Etwa ein Drittel der Änderungen lässt sich unter dem Motto ,Zurück zu Luther‘ zusammenfassen“, sagte Henner. Dies gelte vor allem auch für Textstellen, an denen die Fassung der Lutherbibel von 1545 näher am Hebräischen oder Griechischen gewesen sei als spätere Überarbeitungen.
„Die Revision der Lutherbibel war ein Mammutprojekt“, sagte Henner. Die 35.598 Verse wurden von 70 Theologinnen und Theologen bearbeitet. Knapp 16.000 Verse oder 44 Prozent wurden verändert. 8,5 Prozent der Wörter sind neu. Auch theologisch wurde nachgebessert. Aus den „Heiden“wurden die „Völker“oder „Nationen“.
Ein einprägsames Beispiel für die Annäherung an Luthers sprichwörtlich gewordene Wendungen ist beim Propheten Jesaja, Kapitel 45, Vers 6, zu lesen. In der bis zuletzt gültigen Übersetzung hieß es: „damit man erfahre in Ost und West, dass außer mir nichts ist.“Die Lu- therbibel 2017 übersetzt in Anlehnung an die Fassung von 1545: „damit man erfahre vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang, dass keiner ist außer mir.“Das Sprachbild Luthers „vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang“steht jetzt wieder wörtlich da.
Der zuweilen feierlich und leicht altertümlich wirkende Sprachstil Luthers wurde besonders beim Weihnachtsevangelium (Lukas, Kapitel 2, Verse 3–6) wieder deutlich:
„Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher (1984: jeder) in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische (1984: jüdische) Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er (1984: weil er) von (1984: aus) dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass (1984: damit) er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst (1984: dort) waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.“
In nur elf Wochen hatte der Reformator während seines Aufenthalts als Junker Jörg auf der Wartburg im Jahr 1521 zunächst das Neue Testament übersetzt. 1522 wurde diese deutschsprachige Bibel – auch „Septembertestament“genannt – in hoher Zahl in Druck gegeben. Die Übersetzung des Alten Testaments sollte dagegen noch bis 1534 dauern. Für zahlreiche Sprachbilder und Wörter musste erst eine verständliche deutsche Version gefunden werden. Die Übersetzung beider Teile der Bibel, des Alten und des Neuen Testaments, dauerte also rund 13 Jahre. 1534 ging die Gesamtausgabe in Wittenberg in Druck.
„Für Luther und seine Weggefährten im Wittenberger Übersetzerteam war die Übersetzung aus dem Hebräischen und Griechischen eine Lebensaufgabe“, sagte Henner. „Bis zu Luthers Tod wurde um immer noch treffendere, genauere oder verständlichere Formulierungen gerungen.“
Luther ist als der deutschsprachige „Bibelübersetzer“schlechthin in die Geschichte eingegangen – und das, obwohl der Reformator und sein Team keineswegs die Ersten gewesen sind, die die Bibel ins Deutsche übersetzt haben. Allein von 1466 bis 1522 erschienen 18 deutsche Bibelübersetzungen. Von kei- ner ist aber der Übersetzer bekannt, vielmehr werden jeweils nur das Verlagshaus und der Verlagsort genannt. Diese haben den Bibelausgaben ihre Namen wie „Zainer Bibel“(1475) oder „Lübecker Bibel“(1494) gegeben. Die erste vollständige gedruckte Bibel in deutscher Sprache ist bereits 1466 im Verlagshaus Mentelin in Straßburg erschienen.
Allen diesen deutschsprachigen Bibeln vor Luther sei aber gemeinsam, dass als Textgrundlage für die Übersetzung die lateinische Ausgabe herangezogen worden sei, betonte Henner. Es sei die Pionierleistung Luthers gewesen, dass er bei der Übersetzung des Neuen Testaments auf den Urtext als Ausgangsbasis zurückgegriffen habe. Nicht mehr das Lateinische, sondern das Griechische war seine Grundlage.
„Luther ging als Erster vom Urtext aus.“ Jutta Henner, Bibelgesellschaft