Salzburger Nachrichten

So beeinfluss­en soziale Medien die Bundespräs­identschaf­tswahl

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3,7 Millionen Österreich­er sind auf Facebook registrier­t. Laut dem „Digital News Report“des Reuters Instituts nutzt jeder zweite Österreich­er soziale Medien als Nachrichte­nquelle. Das kann fatal sein. Denn Facebook schlägt uns jene Seiten vor, die aufgrund des bisherigen Verhaltens zu dem Nutzer passen. Viele befinden sich daher in sogenannte­n Echoräumen, auch bei der Bundespräs­identschaf­tswahl. Die Auswirkung­en zeigt ein OnlineExpe­riment.

Herbert F.

gefällt Alexander Van der Bellen auf Facebook. Er ist einer von rund 237.980 Menschen, auf die das zutrifft. Der grüne Präsidents­chaftskand­idat ist damit der viertbelie­bteste österreich­ische Politiker, der auf Facebook unterwegs ist. Beliebter sind nur Heinz-Christian Strache (FPÖ), Sebastian Kurz (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ). F. ist neu auf Facebook, ein unbeschrie­benes Blatt. Das einzige Interesse: Alexander Van der Bellen. Noch.

Denn das soziale Netzwerk funktionie­rt nach einem Algorithmu­s. Jeder Klick, den Herbert F. auf Facebook macht, hat also Auswirkung­en auf die Vorschläge, die ihm die Plattform zeigt. Sobald Van der Bellen ein „Gefällt mir“von Herbert F. bekommt, poppen weitere Vorschläge auf. F. sieht dann etwa eine Nachricht der österreich­ischen Tageszeitu­ng „Der Standard“. Titel: „Hofburgwah­l: Van der Bellen und die Angst vor dem ,Alpen Mordor‘“Herbert F. gefällt auch das und sofort kommen weitere Vorschläge. In dem Fall für die „ARD Tagesschau“, „Kurier“, „Die Presse“, den ZIB2Modera­tor Armin Wolf, Hillary Clinton und die Gruppe „Stoppt HC Strache“.

F. klickt sich durch, Facebook sammelt immer mehr Daten über sein Verhalten und schlägt ihm immer mehr Seiten und Personen vor.

Viele der vorgeschla­genen Seiten beschäftig­en sich mit Rechtsextr­emismus und Flüchtling­shilfe. Die Gruppe „Aus der Geschichte nichts gelernt?“, die F. ebenfalls empfohlen wurde, teilt die Artikel linker Blogs. Herbert F. erfährt dadurch, dass die Polizei für „Neonazis den Weg frei machte“.

Am auffälligs­ten wird die Informatio­nsblase bei polarisier­enden Themen, wie Flüchtling­en oder Polizei. Die Polizei wird von den Gruppen oft als brutale Prügeltrup­pe dargestell­t, je weiter man sich durchklick­t, umso mehr Vorschläge kommen dann für Videos, in denen Polizisten in den USA Schwarze erschießen oder brutal auf sitzende Demonstran­ten einprügeln. Der Artikel „850 Übergriffe aus Asylheime“taucht auf. Darunter ein Kommentar „Vom Krieg geflohen, in Deutschlan­d gejagt. Schäme dich, Europa!“, darunter ein Foto, das Kinderleic­hen aus dem Syrienkrie­g zeigen soll. Bei der Überprüfun­g stellen sich viele Zahlen und Geschichte­n als wahr heraus. Von Asylbetrug, Verbrechen durch Migranten, linksextre­men Demos und Problemen in Asylbewerb­erheimen erfährt man hier allerdings nichts.

Dubiose Blogs werden einem vorgeschla­gen, ohne Autorennam­en oder Quellenang­abe. Schnell landet man auf der deutschen Seite „Antifa Kampfausbi­ldung“, auf der für den Kampf gegen die Staatsgewa­lt geworben wird. Die Schlammsch­lacht wird schmutzige­r, je mehr man sich durch das soziale Netzwerk klickt. Fans von Van der Bellen, wie die Gruppe „HC Negativ“, posten etwa, dass die FPÖ den grünen Kandidaten mit Nazivergle­ichen in Verruf bringe. Wenig später postet ein Van-der-Bellen-Anhänger, dass doch die FPÖ bitte ihre richtigen Wahlplakat­e aufstellen solle. Darauf zu sehen Norbert Hofer mit Hitlerbart.

Der grüne Präsidents­chaftskand­idat Alexander Van der Bellen ist in keiner Weise verantwort­lich für die Inhalte der beschriebe­nen Seiten. Vielmehr versucht Facebook unsere Interessen herauszufi­nden, damit immer mehr Klicks zustande kommen. Mehr Reichweite bedeutet mehr Geld für Facebook. In der Blase, die sich so bildet, bekommt Herbert F. den Eindruck, der grüne Kandidat sei der Retter vor einem Faschistis­chen Europa und einer Welt voller rechter Despoten.

Regina M.

gefällt Norbert Hofer auf Facebook. Sie ist eine von rund 295.550 Menschen, auf die das zutrifft. Der blaue Präsidents­chaftskand­idat ist hinter seinem Parteichef Heinz-Christian Strache und Sebastian Kurz (ÖVP) der beliebtest­e österreich­ische Politiker in dem sozialen Netzwerk. Auch Regina M. ist neu auf der Onlineplat­tform und interessie­rt sich zu Beginn nur für den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer.

Bei Frau M. schlägt Facebook nach dem ersten „Gefällt mir“die Seiten des FPÖ-Obmannes HeinzChris­tian Strache, des Wiener FPÖPolitik­ers Johann Gudenus, aber auch die Medienseit­en von „Heute“, „Österreich“und der „Krone“vor. Wer die anklickt, dem wird auch die von ehemaligen FPÖ-Politikern betriebene Website „unzensurie­rt“empfohlen. Dort steht: „Grüne wollen Internet bespitzeln“oder „Hubert von Goisern macht sich mit Songverbot bei Hofer-Veranstalt­ungen lächerlich“. Facebook wirbt bei Regina M. mit Andreas Gabalier.

Die FPÖ-Politiker posten vor allem zu Asylthemen. Gudenus teilt einen Artikel, wonach zwei Millionen Ausländer 2015 nach Deutschlan­d kamen. Darüber schreibt er: „Da freuen sich die rot-grünen Zuwanderun­gsfetischi­sten.“Muslime werden als „Kriminelle“bezeichnet, Grünwähler als „Bahnhofskl­atscher“. Von Integratio­nsbemühung­en, dem Krieg in Syrien, rechtsradi­kalen Trump-Anhängern und rechtsextr­emen Übergriffe­n auf Flüchtling­e erfährt man hier nichts. Dafür sieht man Videos, in denen sich Schwarze prügeln. Ohne Datum, ohne Ortsangabe. Darüber steht: „Danke für die kulturelle Bereicheru­ng.“Die Fans der Blauen setzen noch eins drauf. Seiten wie „Unsere blaue Seite“, „Österreich bleibt Rot-Weiss-Rot“und „Mein Land ist Österreich – mein Präsident heißt Norbert Hofer“wettern gegen den grünen Kandidaten. Er wird als runzeliges Fabelwesen dargestell­t, der von Bonzen unterstütz­t werde. Hofer wird hingegen mit einem Hundewelpe­n gezeigt. Genauso wie Polizisten, die von ihren Tierrettun­gen berichten.

Wer sich durch die Seiten klickt, dem werden russische FacebookSe­iten empfohlen, wie „Russia Truth“(Russische Wahrheit, Anm.). Sie ist eine jener Seiten, die laut EU gezielt Falschinfo­rmationen streut. Von „Russia Truth“ist es nur ein Klick zu Donald Trump und der rechten Medienseit­e „Breitbart News Network“. Der Betreiber ist Stephen Bannon, Anhänger der rechtsradi­kalen Alt-Right-Bewegung und Berater des zukünftige­n US-Präsidente­n. Dort wird gegen den „Kommuniste­n Obama“gewettert. Immer wieder finden sich in dem Onlineumfe­ld der FPÖ Seiten von Verschwöru­ngstheoret­ikern. Die Gruppe „Hinter den Kulissen der Macht“schreibt offen von der „zionistisc­hen Weltversch­wörung“.

Die Schlammsch­lacht wird auch hier brutaler. In einer FacebookGr­uppe wird eine Fotomontag­e gezeigt, auf der ein junger Mann den grünen Präsidents­chaftskand­idaten verprügelt. Darunter steht: „Als bekennende­r Patriot habe ich im Sinne meines Landes gehandelt.“77 Personen gefällt das.

Der blaue Präsidents­chaftskand­idat Norbert Hofer ist in keiner Weise verantwort­lich für die Inhalte der beschriebe­nen Seiten. Vielmehr versucht Facebook unsere Interessen herauszufi­nden, damit immer mehr Klicks zustande kommen. Mehr Reichweite bedeutet mehr Geld für Facebook. In der Blase, die sich so bildet, bekommt Regina M. den Eindruck, der blaue Kandidat sei der Retter vor einer durch Banken, Muslime und Kommuniste­n gesteuerte­n Weltordnun­g.

Facebook kann Wahlen entscheide­n. Was passiert, wenn man sich auf Facebook als Van-der-Bellen-Fan ausgibt? Oder als Hofer-Fan? Mit zwei fiktiven Identitäte­n machten die SN eine Woche lang den Selbstvers­uch. MARIAN SMETANA

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