Die rot-blaue Annäherung
Kerns sanfte Umarmung der FPÖ sorgte parteiintern für überraschend wenig Kritik.
Der pragmatische und geradezu „amikale“Umgang von SPÖ-Chef Christian Kern mit FPÖ-Chef HeinzChristian Strache in der jüngsten ORF-Konfrontation kommt in den eigenen Reihen gut an.
Kritische Worte wegen der sich auch mit dem jüngsten Kern-Auftritt abzeichnenden Öffnung der Partei gegenüber der FPÖ, die die SPÖ aus einem jahrzehntelangen strategischen Dilemma befreien könnte, blieben aus. Ein Kriterienkatalog für künftige Koalitionspartner, der auch die FPÖ nicht von vornherein ausschließt, soll, wie berichtet, im Mai 2017 vorliegen.
Der frühere Innenminister Karl Schlögl freute sich besonders über die Annäherung Christian Kerns. Das strategische Dilemma „hat der SPÖ geschadet und der FPÖ nur genützt“, sagte er. Es gebe gravierende Unterschiede zwischen den beiden Parteien, aber auch eine Kultur der Auseinandersetzung, erklärte Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, auf den die Idee eines Kriterienkatalogs für künftige Koalitionspartner zurückgeht.
In der Frage einer rot-blauen Koalition wird Zurückhaltung geübt. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, betonte etwa der Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl, der das offene Gespräch der Parteichefs aber sehr positiv bewertete. Verhandlungen über Rot-Blau wären für den SPÖ-Rebellen Andreas Babler „verlorene Zeit“und für die Wiener Stadträtin Sonja Wehsely weiterhin ein „No-go“.
WIEN. SPÖ-Chef Christian Kern hat mit einem über weite Strecken überaus „amikalen“ORF-Diskussionsauftritt gemeinsam mit FPÖChef Heinz-Christian Strache Mittwochabend ein neues Kapitel im Umgang mit der FPÖ aufgeschlagen. Und er hat mit der weiteren Öffnung hin zur FPÖ offensichtlich auch in den eigenen Reihen offene Türen eingerannt.
Wobei nicht alle so jubelten wie der frühere SPÖ-Innenminister und heutige Bürgermeister von Purkersdorf, Karl Schlögl, der seit Jahren für eine Öffnung der SPÖ gegenüber der FPÖ getrommelt hatte.
Kerns nun gezeigte Position sei eine „sehr realistische und gute“, sagte Schlögl den SN. „Es gibt kaum jemanden, der sich mehr darüber freut als ich. Das war meine Position seit Ende der 90er-Jahre.“Schlögl glaubt, dass Kern damit auf dem richtigen Weg sei, nämlich „sich inhaltlich ganz klar abzugrenzen, aber für das Gespräch offen zu sein – und Optionen für die Zukunft nicht auszuschließen“. Das strategische Dilemma, in dem die SPÖ lange Zeit im Hinblick auf eine Regierungsbeteiligung der FPÖ gewesen sei, „hat der SPÖ geschadet und der FPÖ nur genützt“. Die Annäherung sei nicht zu spät – „aber es hätte früher kommen können“.
Zur allgemein erwarteten Kritik aus den eigenen Reihen erklärte Schlögl: „Kern ist so eine starke Persönlichkeit, dass er Kritik an der Annäherung an Strache leicht aushalten wird.“– Nur, die Kritik blieb aus. Weder die Junge Generation in der SPÖ, deren Chefin Katharina Kucharowits vor wenigen Tagen betont hatte, eine Annäherung der Partei an die FPÖ weiter auszuschließen, noch die stets aufmüpfige Juso-Chefin Julia Herr wollten auf SN-Anfrage dazu Stellung nehmen.
Und auch der stets kritische Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler hält sich im SN-Gespräch zurück. Kern habe die ewige Beleidigtenrolle der FPÖ, die sich stets ausgegrenzt sehe, „entzaubern“können, sagt Babler. Die FPÖ grenze sich inhaltlich in wesentlichen Politikfeldern selbst aus. Eine Öffnung gegenüber der FPÖ konnte Babler nicht ausmachen, zu unterschiedlich seien die grundsätzlichen Positionen und die laut Kern „mittleren Welten“, die die Parteien trennen. „Es ist nicht gleichzusetzen mit einer Annäherung, wenn man einander nicht beschimpft.“Es sei keine Öffnungsfrage, sondern eine Frage des politischen Stils, sagt Babler. Und das strategische Dilemma stelle sich nicht, meint er, wenn die SPÖ wie im letzten Halbjahr geschehen, stärker Konturen zeige. Die Option, sich Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ offen zu halten, ergibt für Babler überhaupt keinen Sinn, schon aufgrund der Differenzen bei Umverteilungsfragen, Steuerpolitik und Fragen des gesellschaftlichen Umgangs: „Das wäre vergeudete Zeit.“
Auch der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser, auf den die Idee eines Kriterienkatalogs für künftige Koalitionspartner zurückgeht, und Salzburgs SPÖChef Walter Steidl lobten den Kern-Auftritt. Steidl sagte im ORF, die Chefs der politischen Parteien müssten ins Gespräch kommen, um das Land weiterzubringen. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, bremste er aber im Hinblick auf die Koalitionsfrage. Baugewerkschafter Josef Muchitsch erklärte: „Wir pflegen nicht mehr diese Ausgrenzungspolitik wie in der Vergangenheit. Schließlich sind viele FPÖ-Wähler ursprünglich SPÖ-Wähler gewesen.“Die Wiener Stadträtin Sonja Wehsely erklärte, Kern sei es gelungen, in der Diskussion die FPÖ nicht in die Opferrolle kommen zu lassen, aber klar zu definieren, was die Parteien trenne. Rot-Blau sei aber weiterhin „ein No-go“.
„Freue mich sehr über die Annäherung.“ Karl Schlögl, Ex-SPÖ-Innenminister „Rot-Blau ist aber weiterhin ein No-go.“ Sonja Wehsely, Wiener SPÖ-Stadträtin