Freiheitliches Establishment
Wer Teil einer privilegierten Elite ist, sollte das nicht verleugnen, sondern im Sinne des Gemeinwohls in Anspruch nehmen.
Nicht alles, was aus Amerika kommt, ist nachahmenswert. „Washington“steht in den USA etwa schon lange für Macht und Missbrauch bzw. Politiker, die eine abgehobene Elite bilden; kurz: ein Establishment. Donald Trump hat sich ganz im Sinne dieses Bildes dagegengestellt. Wobei er insofern glaubwürdig war, als er bisher ja nie in Washington tätig war.
Dass österreichische Parteienvertreter nun glauben, sein Erfolgsrezept abkupfern zu müssen, ist allerdings seltsam: Wenn man selbst im Glashaus sitzt, sollte man nicht mit Steinen werfen. Und damit ist ganz besonders FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl gemeint. Daraus, dass eine Reihe ehemaliger Politiker und Unternehmer den Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen unterstützen, schließt er, dass sich „das Establishment“vor einem Machtverlust unter einem freiheitlichen Staatsoberhaupt fürchte. Ausgerechnet er. Das tut weh. Aus zwei Gründen.
Erstens tut Kickl so, als wären Eliten verwerflich. Dabei sind sie unverzichtbar: Auch die Politik lebt von herausragenden Persönlichkeiten, die Verantwortung tragen. Wobei es einen Anreiz in Form einer ordentlichen Bezahlung genauso geben muss wie eine Abwahlmöglichkeit. Das ist das Sicherheitsventil. Und das funktioniert in Österreich, wie Wahlergebnisse zeigen. Also braucht es niemanden, der Zweifel daran aufkommen lässt.
Zumal Kickl (zweitens) zu den Vertretern des Systems gehört, die davon außerordentlich profitieren: Die Steuerzahler kommen nicht nur für sein Gehalt als Nationalratsabgeordneter von 8686,30 Euro brutto im Monat auf, sondern über die Parteienförderung indirekt auch für Zahlungen, die er als FPÖ-Manager bzw. Werbefachmann der Wiener Landesorganisation zusätzlich bezieht; laut Transparenzdatenbank erreichte er 2015 im Schnitt mehr als 10.000 Euro extra.
Kickl ist Teil einer Elite. Und alle 37 übrigen Mitglieder seiner Fraktion im Hohen Haus sind es ebenfalls: Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer sind seit Jahren Berufspolitiker. Drei Abgeordnete sind nebenbei Bürgermeister, einer davon ist noch Landwirt. Klassischer Arbeiter ist kein einziger mehr, gut zwei Drittel sind außerdem selbstständig, freiberuflich oder im öffentlichen Dienst tätig. Der eine oder andere verdient dabei als Zahnarzt oder Wirtschaftstreuhänder eigenen Angaben zufolge einen sechsstelligen Betrag im Monat dazu. In Summe handelt es sich also um Frauen und Männer, die kein Abbild der Gesellschaft ergeben und sehr gut abgesichert sind. Doch das muss keine Schande sein. Es ist jedenfalls aber ein Privileg, das nicht verleugnet, sondern im Sinne des Gemeinwohls in Anspruch genommen gehört. WWW.DIESUBSTANZ.AT