Wer Äpfel und Birnen erntet, spürt Zukunft
Schnapsbrennen heißt geduldig sein. Beim Warten erfuhr Regisseur Richard Rossmann, was nachhaltiges Leben tatsächlich bedeutet.
SAALFELDEN. Traude brennt Vogelbeerschnaps. Immer schon. Sie perlt die Früchte ab, setzt Maische an und wartet in der 400 Jahre alten Brennhütte auf den Vorlauf, hofft, dass der Schnaps was wird und gleichzeitig, dass es ihr die Jungen einmal gleichtun werden. Aber wirklich aufhören kann oder will sie nicht. Richard Rossmann schaut ihr und ein paar anderen dabei zu, wie sie immer weitermachen.
In seinem Film „Äpfel und Birnen“– Premiere ist heute, Freitag, im Rahmen des Bergfilmfestivals im Salzburger Das Kino – entwickelt sich das Schnapsbrennen zum Ausgangspunkt tiefer Betrachtungen über den Wert des Bauer-Seins.
Dass er Schnapsbrennen zum Thema macht, entspringt Erinnerungen, die „sicherlich eine ganze Weile zurückliegen“. In Kindheitstagen saß Rossmann in der Schnapsbrennhütte der Oma. Ein archaischer, über Jahrhunderte unveränderter Vorgang ereigne sich da. Und: Der Vorgang braucht Zeit.
Nostalgische Heimattümelei liegt Rossmann fern. Er schaut genau hin. Vor allem hört er genau zu. So kommt auch Philosophisches zum Vorschein. „Wenn du was pflanzt und des wird was, und du siagst den Baum wachsen. Dann is des a Glücksgefühl“, sagt Andreas Hofer, Bauer vom Hubgut, fast beiläufig. Das Glück kommt aus der Überzeugung, dass „es weitergeht“, mit dem Hof, mit dem Wachsen, dem Ernten, mit dem natürlichen Kreislauf, in dem das Leben eingebunden ist. Denn das ist es, wovon der Film im innersten Kern erzählt.
Was mit dem Trendwort Nachhaltigkeit von Marketingexperten als angeblich brandaktueller Verkaufsschlager angepriesen wird, ist auf den kleinen Höfen, die Rossmann besucht, das einzige Prinzip des Überlebens, die einzige Art, wie es immer wieder weitergehen kann. Eine stille, bedächtige Annäherung gelingt. Dass Rossmann das kann, bewies er schon in „Ski Heil – Zwei Bretter, die die Welt bedeuten“und „Tagaus tagein“. Da machte er seine Familiengeschichte zum Thema. Nun geht er bloß ein paar Schritte weiter, zum Schloss Kammer, zum Oberhausbauern und zum Hubgut.
Rossmann schaut genau zu. Zu spüren ist, dass er Land und Leute kennt, und auch der Wille, sie dem Publikum nahezubringen. Man kann, was Rossmann dreht, als Heimatfilme lesen, als dokumentarische Heimatfilme allerdings, die auf Beschönigungen, auf Verkitschung und Verklärung verzichten. Im Gegenteil: Es geht um harte Arbeit. Rossmann geht das scheinbar leicht von der Hand. Das liegt auch daran, dass der gebürtige Saalfeldner „auch von außen auf alles schauen kann“. Viel unterwegs ist er, lebt zeitweise in Berlin. „Das ermöglicht mir schon einen anderen, einen frischen Blick auf daheim“, sagt er. Filmisch ist es ein Blick aufs Wesentliche. Dass er aus der Gegend stammt, öffnet ihm dabei manche Tür leichter. „Das ist kein Schlag von Leuten, die einem gleich alles erzählen.“Er hat es dennoch geschafft, dass seine Protagonisten neben der reinen Beschreibung ihrer Arbeit „ein bisserl aufmachen“, dass er hinter einem durchaus schweren Leben auch Emotionen aufspürt. Rossmann kann das gut, weil er sich als Regisseur und Fragender nicht aufdrängt. Er hat den Mut zur Stille, gibt den Protagonisten Raum und Zeit. Es ist wie beim Schnaps: Damit der was wird, braucht es Geduld. Und Rossmann kann warten. Seine Bilder schießen nicht daher, sondern breiten sich aus. Das lohnt sich.
Vorangestellt hat Rossmann dem Film ein Zitat von Ralph Waldo Emerson: „Ahme den Gang der Natur nach, ihr Geheimnis ist Geduld.“Die sei ein „solch zentraler Gedanke in all unserer Leben“, sagt er und bemerkt, „dass sich viele Menschen davon oft weit entfernt haben und dennoch eine große Sehnsucht nach diesem Streben haben“.
Obstklauben. Maischen ansetzen. Warten. Vorlauf testen. Warten. Brennen. Der Film entwickelt sich, ohne das vordergründig anzupreisen, zu einem Plädoyer für die Einheit der Natur, in der der Mensch eben nicht als Herrscher auftritt, sondern sich einfügt, mitlebt im besten Sinn. Oder umgelegt auf den Schnaps: Wenn ein schlechtes Vogelbeerjahr ist, gibt’s halt weniger Schnaps. Das ist schade. Aber überleben lässt sich trotzdem.
„Heimatfilm ist etwas anderes.“