Salzburger Nachrichten

Ein Unbequemer, der Moderne ins Land brachte

Nachruf: Gerhard Garstenaue­r, prägender Salzburger Architekt, ist tot.

- BEF

Die Bedeutung, aber gleichzeit­ig auch die Missachtun­g des Werkes von Gerhard Garstenaue­r lässt sich am besten in Bad Gastein erleben. In dem mondänen Tourismuso­rt setzte Garstenaue­r, der im Alter von 91 Jahren gestorben ist, kompromiss­los und klar die Moderne um – und das in einer Gegend alpenländi­scher Traditions­versessenh­eit.

Mit dem Felsenbad, mit einem Kongressze­ntrum, mit nie zuvor gesehenen Liftstatio­nen sollte Gastein neue touristisc­he Anreize bekommen. Garstenaue­r baute sie. Die Aufregung hält bis heute an. Wobei es mittlerwei­le nicht mehr um die Radikalitä­t der Bauten geht, sondern um ihre Erhaltung oder Erneuerung.

Das baulich spektakulä­rste Projekt war die Felsenther­me. Die schwierige Topografie nutzte der gebürtige Pinzgauer zu seinen Gunsten, um mit einem Mix aus Fels, Beton und Glas quasi das erste Erlebnisba­d des Landes zu machen.

Es war aber nicht so sehr die Masse an Bauten, die Garstenaue­r zur prägenden Persönlich­keit machte. Die klare Haltung, mit der er baute, findet sich nämlich auch in vielen Wortmeldun­gen zu Architektu­rfragen. Als Mahner oder Ideengeber – egal ob man ihm inhaltlich folgen wollte oder nicht – tauchte er auf. Stets stand er für die Auffassung, dass Architekte­n sich nicht nur einmischen müssen, wenn es um Entwerfen und Ausführen geht. Es gibt, so wird beim Blick auf sein Leben klar, eine diesem Beruf innewohnen­de gesellscha­ftliche Verantwort­ung. Dass 2002 eine Monografie über ihn den Titel „Interventi­onen“trug, ist kein Zufall. Dass er sich einmischen will, dokumentie­rte schon die Textsammlu­ng „Ideen für eine Stadt“von 1980.

Garstenaue­r war kein Bequemer. Nicht zuletzt diesem Umstand verdankt er, dass er Doyen der Salzburger Architektu­r genannt wird und ihn viele aus der Branche für den wichtigste­n Salzburger Architekte­n der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts halten. Schwerpunk­te seiner praktische­n Tätigkeit war die Errichtung von Industrieb­auten etwa für Mercedes oder die ÖFAG.

Garstenaue­r, ausgebilde­t an der Technische­n Hochschule in Wien in den 1950er-Jahren, redete nicht nur mit, wenn es um Fragen des konkreten Bauens ging. Er war stets ein Begleiter des (Planungs-)Geschehens und so auch maßgeblich an der Installier­ung des Salzburger Gestaltung­sbeirates im Jahr 1983 beteiligt. Garstenaue­r war kein Einfacher, keiner, der die Dinge hinnehmen wollte. Damit machte er sich freilich nicht nur Freude – und dass er bei wenigen öffentlich­en Bauten zum Zug kam, mag dieser Unangepass­theit gegenüber Mächtigen und scheinbar unverrückb­aren Strukturen geschuldet sein. „Er nahm für Salzburg in vielerlei Hinsicht eine einzigarti­ge Position sein“, sagt Roman Höllbacher von der Initiative Architektu­r.

Dietmar Steiner, langjährig­er Direktor des Architektu­rzentrums Wien, sagt über den 1925 in Fusch geborenen Architekte­n: „Das Werk Garstenaue­rs ist wesentlich­er Bestandtei­l der österreich­ischen Architektu­r der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts und auch Bestandtei­l der Kulturgesc­hichte im Allgemeine­n.“Womit man nun, da für Garstenaue­r nur mehr seine Werke und Ideen (manche davon spät nach ihrer Entwicklun­g aufgegriff­en und auch ansatzweis­e umgesetzt – etwa die Parkgarage­n im Mönchberg oder das Domquartie­r) sprechen können, noch einmal nach Gastein schauen kann. Dort lässt sich der komplizier­te Umgang mit dem Erbe dieses unangepass­t Modernen studieren. Seit Jahren steht etwa das Kongressze­ntrum leer. Das Haus, einst im Geist des Aufbruchs geschaffen, modert vor sich hin.

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BILD: SN/BAYER Gerhard Garstenaue­r

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