Salzburger Nachrichten

Ein Markt für Lügen, aber auch für Wahrheit

Gegen massenhaft verbreitet­e Falschmeld­ungen muss man vorgehen.

- Gertraud Leimüller

Wenn es eine positive Folge der US-Wahl gibt, dann diese: Die ungeheure Macht der digitalen Medien wird endlich auch von jenen Spitzenpol­itikern erkannt, die als Windelkind­er noch keine YouTube-Filmchen und programmie­rbare Spielzeug-Teddys kannten. Angela Merkel fordert eine rechtliche Handhabe gegen Falschmeld­ungen und Hasspostin­gs auf Facebook und in anderen sozialen Medien. Andere Regierunge­n und die EU-Kommission werden folgen. Denn Berechnung­en zufolge stammten 15 Prozent aller Facebook-Postings im USWahlkamp­f von Robotern und nicht von Menschen, viele Meldungen waren frei erfunden („Der Papst wählt Trump“) und gefälscht.

Nun sind Plattforme­n wie Facebook, Twitter und Snapchat nützlich und aus dem Alltag vieler Menschen nicht wegzudenke­n. Doch wir dürfen nicht erlauben, dass sich ihre Chefs dahinter verstecken, bloß ein Technologi­ekonzern zu sein, und jede Verantwort­ung für Inhalte zurückweis­en. Das ist feige: Analysiert man etwa Facebook, so handelt es sich dabei um eine Plattform, die einerseits Menschen mit Menschen gratis verbindet und anderersei­ts Werbung von Unternehme­n und Parteien verkauft. Dadurch, dass Facebook sehr genau über seine Nutzer Bescheid weiß, kann es die Werbung zu günstigen Preisen treffsiche­r an die jeweiligen Zielgruppe­n verteilen.

Auch Werbeunter­nehmen müssen Verantwort­ung übernehmen und Inhalte in einem Mindestmaß kontrollie­ren. Facebook benötigt zudem mehr Zusammenar­beit mit klassische­n Medien, die recherchie­rte, überprüfte Inhalte generieren. Denn es gibt nicht nur einen Markt für Lügen und Katzenbild­er, sondern wie in einer Pendelbewe­gung einen wachsenden Markt für Erklärung und gute Analyse.

Gleichzeit­ig braucht es auch eine Selbstregu­lierung der Plattforme­n: Facebook wäre gut beraten, künftig Lügen- und Hasspostin­gs auszusorti­eren sowie die Herkunft von Fotos und Nachrichte­n für die Nutzer transparen­t zu machen: Bei dubiosen Quellen würde dann das Weiterleit­en einer Nachricht per Mausklick viel schwerer fallen als bisher.

Umgekehrt muss man auch klassische Medien in die Verantwort­ung nehmen: Sie müssen lernen, das digitale Handwerksz­eug besser zu beherrsche­n als bisher, sonst überlassen sie das Feld automatisc­h den Social Media. Wenn ihre Kernaufgab­e jene ist, die Öffentlich­keit zu informiere­n, dann sollten klassische Medien alles dazu tun, diese auch tatsächlic­h zu erreichen: Nicht umsonst haben sich ARD und ZDF entschloss­en, mit „funk“einen öffentlich­en Kanal für das junge Publikum aufzubauen, der kein Fernsehen mehr ist, sondern nur noch Formate über Social Media verbreitet.

Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SALZBURG.COM/GEWAGTGEWO­NNEN

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