Salzburger Nachrichten

Hat Othmar Karas Chancen auf die Nachfolge von Martin Schulz?

Der wortgewand­te Präsident des EU-Parlaments hat gute Chancen im eigenen Land. In Brüssel geht das Tauziehen um die Spitzenpos­ten nicht nur im Abgeordnet­enhaus los.

- HELMUT UWER MONIKA GRAF

Wochenlang war spekuliert worden: Seit Donnerstag ist klar, dass der Präsident des EUParlamen­ts, Martin Schulz, nach Deutschlan­d zurückgeht und dort vielleicht Außenminis­ter und gar Kanzlerkan­didat der SPD wird. Wer ihm als Parlaments­präsident folgt, ist offen. Genannt wird als möglicher Kandidat auch ÖVPDelegat­ionsleiter Othmar Karas. Sein Handicap: Er kommt wie Schulz aus dem deutschspr­achigen Raum.

In der SPD hatte die Art und Weise, wie EU-Parlaments­präsident Martin Schulz zuletzt um seine Zukunft pokerte, immer mehr Unmut erregt. Bleibt er in Brüssel oder will er in die deutsche Bundespoli­tik? So fragten sich viele Genossen. Seit Donnerstag ist es entschiede­n. Der aus Würselen bei Aachen stammende Schulz wird im kommenden Jahr für den Bundestag kandidiere­n und erhält dafür von seinem nordrhein-westfälisc­hen Landesverb­and den sicheren Listenplat­z eins. Damit wird der 60-Jährige ab Herbst 2017 Abgeordnet­er des Bundestags sein. Ob er aber auch Außenminis­ter wird und vielleicht sogar Kanzlerkan­didat, das steht noch in den Sternen.

Parteichef und Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel bekräftigt­e am Donnerstag, dass es beim Fahrplan bleiben soll, wonach erst Ende Jänner über die Kanzlerkan­didatur und die Nachfolge von Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier entschiede­n werden soll. Steinmeier soll im Februar zum Bundespräs­identen gewählt werden.

Ob die SPD noch zwei Monate durchhalte­n kann, darf bezweifelt werden. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) hat bereits Klarheit gefordert. Auch die Medien werden in den nächsten Tagen und Wochen immer zuerst die berühmte K-Frage stellen. Hinzu kommt, dass die SPD schon bei den letzten beiden Bundestags­wahlen in Hauruck-Aktionen die Kandidaten bekannt gegeben hat. Das hat in der Partei ihre Spuren hinterlass­en.

Seit der Nominierun­g Steinmeier­s gilt Schulz als Favorit für das Außenminis­terium. Bislang wurde kein einziger weiterer Name genannt. Mit seiner internatio­nalen Erfahrung könnte auch kein Konkurrent mithalten. Auch seine Sprachkenn­tnisse (Englisch, Französisc­h, Spanisch, Italienisc­h) prädestini­eren ihn zum deutschen Chefdiplom­aten.

Denkbar wäre, dass Schulz auch Kanzlerkan­didat wird. Gabriel wird nächstes Jahr zum dritten Mal Vater. Bei der Geburt des zweiten Kindes hatte er sich medienwirk­sam im Sommer 2012 in die Babypause verabschie­det – die dann keine wurde. Das ist zwar für 2017 nicht geplant, doch hätte er ohne Kanzlerkan­didatur mehr Zeit für die Familie.

Entscheide­nder aber könnte die aktuelle Umfrage von TNS Emnid sein: Danach trauen 42 Prozent Schulz zu, die Kanzlerin zu schlagen. Von Gabriel, seit sieben Jahren Parteivors­itzender, glauben das nur 35 Prozent. Auch bei den SPD-Anhängern ist das Ergebnis mit 54 zu 41 eindeutig für Schulz. Zwei Mal hat Gabriel schon anderen den Vortritt gelassen: 2009 Steinmeier und 2013 Peer Steinbrück. Beide haben krachend verloren. Die Frage diesmal ist, ob ein neuerliche­r Verzicht seine Position als Parteichef gefährden könnte – gerade wenn ein Kandidat Schulz nicht so schlecht abschneide­n würde.

In Brüssel geht mit dem Abgang von Schulz das Tauziehen um seine Nachfolge als Parlaments präsident richtig los. Bisher wechselten sich Vertreter der beiden großen Fraktionen zur halben Legislatur­periode ab. Eine Ausnahme wurde 2014 für Schulz gemacht, der damals im Amt bestätigt wurde. Nun wäre ein Konservati­ver an der Reihe.

Wer, das ist offen und wird erst am 13. Dezember entschiede­n. Einen logischen Nachfolger des wortgewand­ten Schulz gibt es in der EVP derzeit nicht. Fraktionsc­hef Manfred Weber selbst will nicht wirklich. Im Rennen sind der französisc­heKons er vativeAla in Lamassoure, die IrinMa ire adMc Guinness, Ex-Industrie kommissar AntonioTaj­ani und Sloweniens früherer Regierungs­chef Aloys Peterle. Auch ÖVP-Delegation­sleiter Othmar Karas wird genannt. Er sei von Vertretern verschiede­ner Fraktionen gefragt worden, „die mir das zutrauen und sich das wünschen“, sagt Karas. Ob er kandidiert, ist offen.

Unklar ist auch, ob die Sozialdemo­kraten wie bisher den EVP-Kandidaten unterstütz­en. Die EU-Spitzenjob­s werden in Brüssel oft als Paket betrachtet. Mit Jean-Claude Juncker und Donald Tusk sind bereits zwei Konservati­ve Kommission­sund Ratspräsid­ent. „Ein Monopol des rechten Flügels in den EU-Institutio­nen wäre nicht akzeptabel“, schrieb der Chef der Allianz von Sozialiste­n und Demokraten im EU-Parlament, der Italiener Gianni Pittella, auf Facebook. Deshalb wird nun über die Zukunft der beiden anderen Präsidente­n spekuliert.

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BILD: SN/APA/EPA/O. HOSLET Auf europäisch­er Ebene oft Partner: EU-Parlaments­chef Martin Schulz und die deutsche Regierungs­chefin Angela Merkel. Künftig Konkurrent­en im Kampf um die Kanzlersch­aft?

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