Musik für Gedankenfreie
Das kommt davon, wenn das Hinhören vom Schunkeln ersetzt wird. So kam’s, dass Hubert von Goisern einen Brief schrieb. Darin steht, dass er die FPÖ bittet, bei ihren Kundgebungen auf seine Musik zu verzichten. Das ist kurios, weil es grundsätzlich überraschend ist, dass des Goiserers Musik dort genutzt wird. Weil: Goiserer und FPÖ, das geht sich schon immer weltanschaulich gar nicht aus. Darauf hätte man als FPÖKundgebungsbeauftragter leicht kommen können. Dazu braucht man bloß ein paar Takte darüber nachzudenken, was diese Musik bedeutet, was dahintersteckt, ob sie gar zu mehr gemacht ist als zur guten Laune im Bierzelt. Beim Goiserer ist sie das schon immer. Beispiel? „Iawaramoi“von 1994. Im Fall des Goiserers steckt eine Lust auf das Fremde, auf Veränderung dahinter. Dass er sich mit einer solchen Grundhaltung bei der FPÖ nicht am richtigen Platz wähnt, ist nachzuvollziehen. Oder anders gesagt: Wenn ich eine Trauerkapelle für eine Hochzeit engagiere, habe ich Wesentliches nicht kapiert. Oder so: Als einst in einem US-Präsidentschaftswahlkampf Bruce Springsteens „Born in the USA“als patriotische Hymne eingesetzt wurde, war klar: Den Song hat sich keiner richtig angehört, geht es doch um eine harte Abrechnung mit dem Land. Aber es zählt nicht der Inhalt, sondern die Parole, der Titel. Echtes Hinhören hört sich offenbar auf, wenn’s um Hits geht. Der Goiserer-Brief lässt sich als mehr lesen als ein Scharmützel im Kampf gegen kleingeistige Verknappung. Manifest wird ein trauriger Umstand: Es hört keiner zu, was ein anderer wie erzählt. Stattdessen werden die Nachdenklichen weggeschunkelt von gedankenfreien Unterhaltungsgaudi-Gauklern. Es gibt aber Musik, die des Goiserers muss dazugezählt werden, die nicht bloß Ablenkungsmanöver zur Steigerung der Konsum- oder Wahllust ist. Solche Musik wird nicht durch oberflächlichen Klang bedeutend, sondern durch das, was dieser Klang transportiert. Darum hat bedeutende Musik, gewachsen aus Gedankentiefe und Taktgefühl, in einem Wahlkampf grundsätzlich keinen Platz. Nachsatz: Die John Otti Band, die gern den Goiserer-Hit „Brenna tuats guat“bei ihren Auftritten für die FPÖ spielte, hat den Song „natürlich mit sofortiger Wirkung“aus ihrem Programm genommen.