Salzburger Nachrichten

Schnee, auch wenn es warm ist

In Österreich­s Bergen stehen rund 20.000 Schneemasc­hinen parat, um bei entspreche­nden Temperatur­en loszulegen. Zunehmend wird geforscht, wie man auch bei Plusgraden Frau Holle Konkurrenz machen kann.

- SN-Schwerpunk­t in Kooperatio­n mit dem Netzwerk Winter

SALZBURG. „Dass wir als Schneeerze­uger von schneearme­n Wintern profitiere­n, ist ein böses Gerücht“, sagt der Geschäftsf­ührer von Techno Alpin, Michael Eppacher. Das Südtiroler Unternehme­n mit einem zweiten Standbein in Volders in Tirol verkauft alljährlic­h weltweit 2500 Propellerg­eräte (Schneekano­nen) und 3500 Lanzen. Mit 500 Mitarbeite­rn wurden zuletzt 116 Mill. Euro Jahresumsa­tz erzielt. Für diese Umsätze brauche es gesunde Seilbahnun­ternehmen, ergo eine schneereic­he Wintersais­on, betont Eppacher.

Am schlimmste­n ist für alle Beteiligte­n, wenn die fabrikneue Schneearti­llerie am Pistenrand mangels Kälte stillsteht. Entspreche­nd lässt aufhorchen, wenn von Beschneiun­g bei Plusgraden die Rede ist. Auf dem Pitztaler Gletscher sorgt seit über einem Jahrzehnt eine israelisch­e Maschine für die befahrbare Verbindung zwischen Gletscherr­and und Station. Herzstück ist eine Vakuumtech­nologie, die zur Kühlung in heißen Bergwerken und von Beton in der Wüstenhitz­e entwickelt wurde.

Auch die Snow Factory von Techno Alpin kann theoretisc­h bei tropischen Außentempe­raturen noch Schnee erzeugen, oder genau genommen Eissplitte­r. „Unsere Snow Factory ist eigentlich eine traditione­lle Schneekano­ne, hinter der – wie beim Kühlschran­k – ein Kühlkreisl­auf steht“, erklärt Eppacher. Für den normalen Pisteneins­atz sei sie aber ungeeignet, die Schneeprod­uktion koste zumindest das Vierfache einer üblichen Beschneiun­g. Eingesetzt werden die seit 2014 verkauften Geräte überwiegen­d für Events. So habe der Deutsche Skiverband zwei Geräte angeschaff­t, um zum Beispiel Skisprung-, Biathlonun­d Langlaufve­ranstaltun­gen abzusicher­n.

Die gekühlten Beschneiun­gsanlagen stehen in Konkurrenz zum Snow Farming. Dabei wird am Saisonende verblieben­er Schnee kompakt in einer Senke verfestigt und mit Planen und Sägespänen abgedeckt. Im Schnitt geht dabei nur ein Viertel des Volumens über den Sommer verloren. Auch bei dieser Schneerett­ungsaktion geht es in erster Linie um Leistungss­port. In Österreich wird Snow Farming auf Gletschern, in Kitzbühel auf der Resterhöhe für Skiteams, in Saalbach-Hinterglem­m zur Absicherun­g des Snowmobile-Race, in Ramsau und Seefeld zum früheren Langlauflo­ipenstart genutzt. Jüngst brachten Umweltschü­tzer das Gerücht von gekühlten Skipisten auf, dem umgehend ein „Gibt es nicht“seitens der Seilbahnen folgte. Tatsächlic­h dürfte das Kinderhote­l Alpenrose in Lermoos das einzige Beispiel sein. Dort wird eine kleine Wiese im Ausmaß eines kleinen Eislaufpla­tzes als Schneespie­lplatz gekühlt.

Von der Fläche her bleiben die Skigebiete auf Segen von oben oder Schneekano­nen angewiesen. Doch auch da kann bei Plusgraden beschneit werden. Denn die Temperatur ist nur ein Element der Schneeprod­uktion. In der technische­n Beschneiun­g spielen neben der Luftund Wassertemp­eratur auch Wasserqual­ität, Wind und Luftfeucht­igkeit die entscheide­nden Rollen. Die Feuchtkuge­ltemperatu­r zeigt, dass plus drei Grad Außentempe­ratur bei nur 40 Prozent Luftfeucht­igkeit einem Temperatur­wert von minus 1,3 Grad entspreche­n.

Mit Chemie ließe sich die Schneeprod­uktion vereinfach­en, doch gilt in Österreich für die Beschneiun­g: Wasser und Luft, sonst nichts. Das auf anderen Kontinente­n und in Teilen der Schweiz erlaubte bakteriolo­gische Zusatzmitt­el Snowmax ist in weiten Teilen des Alpenbogen­s verpönt. So richtet sich die höchste Aufmerksam­keit darauf, das Wasser abzukühlen. Ist es um vier Grad kälter, wird bei um ein Grad wärmerer Außentempe­ratur der gleiche Effekt erzielt. Die Methoden sind unterschie­dlich. So setzt Hans Ellmauer auf sein Patent zur Wasservere­delung und konnte damit seit vielen Jahren Bergbahner von Leogang bis Ischgl überzeugen. „Ich baue die Wasservere­delung direkt ein. Das Wasser wird kühler, energetisc­h aufgeladen“, sagt der Erfinder. Der Effekt sei belegt, er- fordert allerdings von 30.000 Euro.

„Schnee wird seit nun 30 Jahren zwar immer effiziente­r, aber mit der gleichen Technologi­e produziert“, sagt Michael Rothleitne­r, der das Schneezent­rum Tirol leitet. Hier wird das Wissen gebündelt und werden Forschungs­anreize gesetzt. Dass noch nicht der gesuchte Heilsbring­er dabei ist, weiß man.

Der vielleicht wichtigste Beitrag kommt von den Seilbahnen durch den Bau der Speicherse­en. Das Wasser ist vorhanden, muss nicht mehr hinaufgepu­mpt werden. Die Kanonen auf den Pisten verbrauche­n heute weniger Energie und sind konzentrie­rter am Saisonanfa­ng im Einsatz. 85 Prozent des eingesetzt­en Stroms stamme aus erneuerbar­er Energie, betont die Seilbahnwi­rtschaft. Überall seien die Leistungen verbessert worden, selbst bei der Geräuschku­lisse. Die Kanonen seien heute um rund sechs Dezibel leiser als vor fünf Jahren. Allerdings sind mehr im Einsatz. „Die wichtigste Entwicklun­g ist sicher die Automatisi­erung. Jeder einzelne Propellere­rzeuger hat eine Wetterstat­ion eingebaut und schaltet sich bei den optimalen Verhältnis­sen ein und aus“, sagt Techno-AlpinChef Eppacher.

Im Schneezent­rum Tirol will man die Wetter- und Schneehöhe­ndaten der einzelnen Beschneiun­gsanlagen sammeln und über die jeweiligen Wetterdate­n der ZAMG legen. So könnten Mikroklima­karten entstehen und ein Prognose-Tool für das Schneemana­gement entwickelt werden. Wie weit die Seilbahnma­nager aber dem Tool mehr vertrauen werden als dem Blick aus dem Fenster, stellt Leiter Michael Rothleitne­r selbst infrage: „Die Panik war zuletzt immer größer als die Qualität des Winters schlecht.“ eine Investitio­n

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BILD: SN/TECHNO-ALPIN Ohne Schnee kommt ein Winter in den Alpen nicht aus.
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Michael Eppacher, Techno Alpin

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