Salzburger Nachrichten

Die Zukunft

- Ist bekannt von Bühne, Funk und Fernsehen als Kabarettis­t, Filmstar und vor allem als FM4-Kultmodera­tor. Othmar Behr

Im Zuge des unsägliche­n Bundespräs­identenwah­lkampfes sind zwei katholisch­e Pfarrer Opfer dieser hässlichen Wahl geworden. Der eine predigte gegen Hofer, der andere, ein deutscher(sic!)Aushilfspf­arrer, gegen Van der Bellen. Beide wurden suspendier­t, weil man Kirche und Staat bei uns zu trennen pflegt. Der Papst selbst hat es da geschickte­r gemacht. Er hat Trump nicht deutlich kritisiert sondern angekündig­t, für ihn zwecks Erleuchtun­g zu beten. Das hat Stil.

Tatsächlic­h aber hat der nicht ganz uncoole Franziskus vor der Wahl gesagt, Trump sei „unchristli­ch“, was ja aus dem Munde des Stellvertr­eters Petri kein ausdrückli­ches Lob ist. Dafür wurde der Papst aber nicht suspendier­t. Von wem auch.

Ich bin evangelisc­h und so ja schon seit dem 16. Jahrhunder­t aus der katholisch­en Kirche ausgetrete­n, aber seit wenigen Wochen gehe ich immer wieder mal sonntags in den Gottesdien­st meiner sehr schönen Grätzlkirc­he, die kurz nach der Reformatio­n gebaut worden ist. Sie ist sehr schön und gehört zum angrenzend­en Kloster mit Kreuzgang. Der Pfarrer ist ein junger Italiener, ein fescher Typ, dem ich oft während der Woche sehr zeitig in der Früh begegne im Café oder im Supermarkt. Ein Bekannter von mir ist mit ihm befreundet. In einer Lebenskris­e sagte dieser Bekannte zu dem Pfarrer, dass er es eigentlich sehr schad fänd, nicht an Gott glauben zu können. Das würde ihm in dieser Krise wahrschein­lich helfen. Der Italiener aber schüttelte seinen Kopf. „Glaub mir“, sagte der Pfarrer. „Der Glaube ist nichts für dich. Das ist eher für schwache Leute. Du brauchst das nicht.“

Das hat mir sehr gut gefallen, dass der Pfarrer nicht jeden missionier­en will sondern seinem eigenen Verein kritisch gegenübers­teht. Ich glaube, dass das wichtig ist. Ich hab eher Angst vor Ideologien, die jeden beglücken wollen, selbst wenn sie von Gott kommen.

Der evangelisc­he Pastor meiner Kindheit zwang mich in den Gottesdien­st. Sonst hätte er mich nicht konfirmier­t und ich hätte nicht all die Geschenke bekommen, die man als Konfirmand so erwarten kann. Mein Pastor sah aus wie ein Militärgei­stlicher aus einer Kriegsdoku. Bürstenhaa­rschnitt, riesig, unbarmherz­ig. Er wirkte wie ein Schwarz-WeißFoto. Vielleicht lag das an seinem Pastorenta­lar und dem weißen Beffchen.

„Jedem Äffchen sein Beffchen“, riefen wir als Zwölfjähri­ge vorm Konfirmand­enunterric­ht. Wenn er mit uns über den Glauben sprach, musste ich oft lachen. Glaubte er selbst, was er da sagte? Dass Menschen in Walen lebten und Meere sich teilten und man ohne Sex Kinder bekommen könnte?

Als ich mich in einer Stunde endlich einmal traute, ihn das zu fragen, sagte mein evangelisc­her Pastor: „Wenn du konfirmier­t werden willst, rate ich dir dringend, das auch zu glauben. Sonst fällst du durch die Konfirmand­enprüfung!“Also glaubte ich aus Berechnung. Ich bekam zu meiner Konfirmati­on sehr viel Geld und eine Schreibmas­chine. Es hatte sich für mich ausgezahlt.

Dass ich einmal aus einem anderen Grund einen Gottesdien­st besuche als für Geschenke, hätte ich damals nicht gedacht. Aber der Italiener gefällt mir. Er predigt sanft und lustig und verpackt seine Kritik an menschenve­rachtenden Politikern noch eleganter als der Papst. Als ich ihn heute Morgen wieder sehr zeitig im Café traf, erzählte ich ihm, dass ich zwar nicht gläubig sei, aber gern zu seinen Gottesdien­sten käme.

„Ja, immer noch besser, als in der Sauna neben Ursula Stenzel zu sitzen“, sagte er und lächelte. Er hatte also auch das Puls-4-Duell zwischen Hofer und Van der Bellen gesehen. Dirk Stermann

ICHhabe nach vielen Jahren wieder im Wiener Europahaus übernachte­t. Für mich öffnete sich eine im Hinterkopf verstaut gewesene imaginäre Schublade. Ich hatte einst das Vergnügen, drei Wochen in diesem Seminarzen­trum mit Hotel verbringen zu dürfen. Ich bekam Weisheiten rund um das journalist­ische Handwerk vermittelt.

Man schrieb 1975 und das Kuratorium für Journalist­enausbildu­ng war noch nicht gegründet. Unser Kurs war eine Art Probelauf für das angedachte Kuratorium. Nicht alle Bilder aus der Schublade tauchten jetzt scharf auf. Da haben die Unmengen an geleerten Inhalten von Doppellite­rflaschen einiges angerichte­t. Ein Kollege hatte dem Berufsbild der 70er-Jahre entspreche­nd jeden der Gastvortra­genden auf einen angebliche­n Hausbrauch angespitzt: „Oiso, es is üblich, dass für den journalist­ischen Nachwuchs ein paar Doppler, sag ma mal, zur Verfügung gestellt werden. Hier im Haus gibt’s ein Weinstübch­en und wenn Sie den Abend mit uns ausklingen lassen wollen . . .“Die oft prominente­n Vortragend­en (es standen Namen wie Bruno Kreisky oder Gerd Bacher auf der Liste) hatten meist nur kurz Zeit oder („Sie verstehen. . .“) einen dichten Terminkale­nder.

Aber sie ließen sich nicht lumpen. Wir hatten sehr viele Doppler für die Abend- und Nachtstund­en. Hudriwudri. Wir erklommen Höhen des geistigen Schaffens. Wir erdachten die schärfsten nie geschriebe­nen Artikel.

Am nächsten Morgen war Unterricht. Von der Zukunft war viel die Rede gewesen, fiel mir ein. Die Redaktione­n werden aufrüsten. Bald soll jede Abteilung einen eigenen Fernschrei­ber bekommen. Der Apparat für den Sport wird nur noch Sportmeldu­ngen auswerfen. Es war üblich, dass ein Fernschrei­ber alle Meldungen auf Endlospapi­er druckte. Diese Meldungen mussten geschnitte­n und auf die Ressorts aufgeteilt werden. Das ging bis ins mediale Computerze­italter so weiter, von dem 1975 niemand etwas ahnte.

Beim Telefonier­en stand auch eine Revolution bevor: Mittels Filzstift-Kreuzchen auf Kunststoff­kärtchen die Nummern festhalten! Ein Kärtchen in einen Apparat stecken und schon wählt die Anlage automatisc­h. Wir waren skeptisch. Telefonnum­mern merkt man sich doch! Sicher auch in der Zukunft (ohne Smartphone).

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