Salzburger Nachrichten

Nochmal von Anfang an

891 Frauen und Männer in Bildungska­renz sind mehr als 45 Jahre alt. Für Ältere gibt es eigene Angebote, etwa an der Uni Salzburg. Doch ist die Bildungska­renz überhaupt schlau?

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Wer heute 45 Jahre alt ist, muss als Frau noch 15, als Mann noch zwanzig Jahre arbeiten. Für viele ältere Mitarbeite­r stellt sich deshalb die Frage, ob sie sich noch einmal neu orientiere­n wollen. Vergangene­s Jahr beantworte­ten 891 ältere Dienstnehm­er diese Frage mit Ja. Das sind fünf Prozent der Bildungska­renz-Bezieher. Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat 2009 die unselbstst­ändigen Leistungsb­ezieher herausgere­chnet. Daraus ergibt sich folgendes Bild: Ein Drittel der Dienstnehm­er in Bildungska­renz ist mehr als 45 Jahre alt. Für sie gälten dieselben Regeln wie für alle, sagt Karl Wohlschak vom AMS Salzburg. Wer in Bildungska­renz geht, erhält mindestens 60 Prozent seines Nettoeinko­mmens vom Arbeitsmar­ktservice (AMS) bezahlt. Wer minderjähr­ige Kinder zu betreuen hat, bekommt 80 Prozent. Die Auszeit kann zwischen zwei und zwölf Monaten dauern. Der Arbeitgebe­r muss zustimmen. Wer eine Bildungska­renz beantragt, muss eine Weiterbild­ung im Ausmaß von 8 ECTS oder 20 Wochenstun­den nachweisen. „Wer die erforderli­chen Stunden nicht erreicht, hat im Folgesemes­ter keinen Anspruch auf Weiterbild­ungsgeld“, sagt Wohlschak. Zu den Wochenstun­den zählt auch die Lernund Vorbereitu­ngszeit: Sie kann vom Kursleiter bestätigt werden. Bei Kursen gehe es um die erforderli­che Stundenanz­ahl. Ein positiver Prüfungsab­schluss sei nicht erforderli­ch. Sprachkurs­e im Ausland seien ebenfalls möglich.

Die Uni Salzburg hält für Ältere ein spezielles Programm bereit. Wer mehr als 55 Jahre ist, kann sich einschreib­en – egal ob mit Matura oder ohne. „Alle Uni-55PLUS-Studierend­en sind außerorden­tliche Hörer und können auch Prüfungen über die jeweiligen Lehrverans­taltungen ablegen“, sagt Gabriele Pfeifer, Pressespre­cherin der Uni Salzburg. „Obwohl die Älteren die Studienfäc­her als außerorden­tliche Studierend­e belegen, zählen die Kurse für die Bildungska­renz“, sagt Wohlschak vom AMS.

Das Angebot für die älteren Wissbegier­igen ist 134 Seiten lang. Generell stehen ihnen alle Kurse zur Verfügung, die nicht von den Jüngeren überrannt werden – von Mathematik, Videoschul­ung, Spanisch über Zoologie, Kunstgesch­ichte und Ethik bis zu Regenerati­on im Sport. Darunter ist auch ein eigener Chor. 454 Teilnehmer haben die Kurse vergangene­s Semester besucht.

Doch ist es überhaupt sinnvoll, sich als älterer Dienstnehm­er noch in Weiterbild­ung Personalve­rmittlerin zu stürzen? „Grundsätzl­ich ist Wissensver­mehrung in jedem Alter eine sinnvolle Investitio­n“, sagt Irma Brazda. Die 57-Jährige ist Geschäftsf­ührerin für die Bundesländ­er des Personalve­rmittlers Iventa.

Die Bildungska­renz würde aber oft dazu genützt, den Trennungss­chmerz von dem jetzigen Arbeitgebe­r noch etwas hinauszuzö­gern. Von einer Kündigung und einer völligen Neuorienti­erung würde Brazda jedoch abraten: „Wir erleben es tagtäglich, dass es für Ältere extrem schwierig ist, einen neuen Job zu finden.“Das Alter sei ein Ablehnungs­grund, obwohl es freilich oft nicht genannt wird. Das liege zum einen daran, dass ältere Dienstnehm­er teurer seien. Zum anderen zweifelten viele Chefs daran, dass sich Ältere an einen neuen Job anpassen könnten – vor allem, wenn sie zuvor lang bei demselben Unternehme­n gearbeitet hätten.

Eine Bildungska­renz kann auch eine Weiterentw­icklung im bestehende­n Job sein. Das passiere ihrer Erfahrung nach jedoch selten, sagt Brazda: „Wenn man in einem gewissen Alter ist, hat man einen roten Faden im Werdegang. Bei dem will man auch bleiben.“Der Trend gehe zwar in Richtung länger arbeiten. Doch es gebe kaum Initiative­n und Ideen, wie man ältere Mitarbeite­r im Job halten könne – im Gegenteil: „Sehr viele Ältere haben Angst um ihren Job. Das geht teilweise so weit, dass Unternehme­n ältere Mitarbeite­r nervlich fertig machen.“Das sei schade, schließlic­h hätten Ältere viel Know-how: „Es kann für alle eine Winwin-Situation sein, wenn sie Wissen an Jüngere weitergebe­n.“

Irma Brazda,

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