Die Schweizer lassen ihre Atomkraftwerke weiterlaufen
Die Initiative der Grünen für einen raschen Ausstieg aus der Atomkraft wurde überraschend deutlich abgelehnt. Offenbar war die Furcht vor Millionenklagen der AKW-Betreiber zu groß.
Die Laufzeit der Schweizer Atomkraftwerke wird nicht befristet. Volk und Stände haben die Atomausstiegsinitiative der Grünen am Sonntag abgelehnt, und zwar mit 54,2 Prozent deutlicher als erwartet. Damit bleibt offen, wann das letzte Schweizer AKW vom Netz geht. Die Abstimmung spaltete die Schweiz teilweise entlang der Sprachgrenze: Vier französischsprachige Westschweizer Kantone stimmten mit Ja, in den meisten Deutschschweizer Kantonen war die Initiative dagegen chancenlos.
Das Ergebnis der Abstimmung gilt als Erfolg der bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbände, die vor Versorgungslücken, Dreckstromimporten und hohen Kosten gewarnt hatten. Vor allem die Diskussion über die Kosten dürfte ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Die AKW-Betreiber wollten Ansprüche geltend machen für nicht amortisierte Investitionen, die sie auf Basis des geltenden Rechts mit unbefristeter Betriebsbewilligung getätigt haben. Der Bundesrat rechnete mit Schadenersatzklagen in dreistelliger Millionenhöhe pro AKW.
Die Betreiber drohten im Abstimmungskampf jedoch mit höheren Summen, mit Forderungen von umgerechnet 3,78 Milliarden Euro etwa für die AKW Beznau und Leibstadt. Die Initiatoren hielten dagegen, dass die Produktion von Atomstrom ein Verlustgeschäft sei und die Betreiber nicht behaupten könnten, ihnen würden Gewinne entgehen. Eine Rolle gespielt haben mag auch die Angst vor Strommangel und Blackouts.
Nach der Entscheidung der Schweizer, die Laufzeit der Atomkraftwerke nicht zu befristen, stellten viele in Bern sich die Frage: Wie geht es weiter? Der Atomausstieg in der Schweiz ist zwar beschlossen worden, jedoch kein Zeitplan. Der jetzt abgelehnten Initiative waren eigentlich gute Chancen eingeräumt worden, doch durchgesetzt haben sich bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände, die vor Versorgungslücken, Dreckstromimporten und hohen Kosten warnten. Vor allem die Diskussion über Ansprüche der Betreiber und Schadenersatzklagen beeinflusste den Ausgang. Die Gegner – auch Energieministerin Doris Leuthard – warnten zudem vor Dreckstrom aus Atomund Kohlekraftwerken, den die Schweizer bei einem Ja zur Initiative hätte importieren müssen.
Nach dem Nein zur Atomausstiegsinitiative steht nun die Energiestrategie 2050 im Fokus. Das Paket beinhaltet den langfristigen Atomausstieg, der Bau neuer Atomkraftwerke wird verboten. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien soll von heute rund drei Terawattstunden bis 2035 auf mindestens 11,4 Terawattstunden steigen. Das wäre etwa halb so viel, wie die Schweizer AKW heute produzieren.
Für die Förderung der erneuerbaren Energien gibt es mehr Geld als heute. Der Netzzuschlag soll steigen, der Energieverbrauch pro Person und Jahr bis 2035 um 43 Prozent sinken, der Stromverbrauch um 13 Prozent. Zentrales Instrument bleibt das Gebäudeprogramm, für das mehr Geld eingesetzt werden soll. Frühestens im Mai 2017 wird abgestimmt.