Salzburger Nachrichten

Mit 0,8 Prozent Richtung Altersarmu­t

Die jungen Leute gehen schweren Zeiten entgegen, heißt es. Die Alten auch. Die Generation­en täten gut daran, sich nicht auseinande­rdividiere­n zu lassen.

- ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM Andreas Koller

Die Regierung beschloss am Dienstag, den Pensionist­en zusätzlich zu den vereinbart­en 0,8 Prozent Pensionser­höhung noch eine Einmalzahl­ung von 100 Euro zu gönnen. Dafür mussten sich beide – nämlich die Regierung und die Pensionist­en – herbe Kritik anhören. Die Regierung wegen angebliche­r Verschwend­ungssucht, die Pensionist­en, weil sie das Budget noch tiefer in die roten Zahlen treiben. Denn immerhin kostet der Pensions-Hunderter 200 Millionen Euro, die der Finanzmini­ster in seinem Zahlenwerk nicht eingeplant hatte.

Und tatsächlic­h ist die Situation dramatisch. Laut Prognose der Pensionsko­mmission wird der Bundeszusc­huss zu den Pensionen bis 2021 um etwa 3,4 Milliarden auf rund 13,4 Milliarden steigen. Das ist ein Anstieg um immerhin 34,6 Prozent. Jeder siebte Budget-Euro gehe in die gesetzlich­e Pensionsve­rsicherung, merkte Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling bei seiner Budgetrede kritisch an.

Doch wie sind die Fakten aus der Sicht der Betroffene­n, nämlich der Pensionist­en? Die 0,8 Prozent Pensionser­höhung decken nicht einmal die Hälfte der Inflations­rate ab, die im kommenden Jahr mit 1,8 Prozent veranschla­gt wird. Die 100 Euro fetten die Pensionen monatlich um läppische 8,33 Euro auf. Die Durchschni­ttspension beträgt derzeit 1102 Euro. Eine ehemalige Arbeiterin kommt auf 670 Euro, ein Angestellt­er auf 1420 Euro. Das sind Summen, die nicht in jedem Fall zum Leben reichen.

Fragen Sie Herrn Stöger

Sollten die Pensionser­höhungen auch in den kommenden Jahren unter der Inflations­rate liegen, wird Österreich in kurzer Zeit auf eine erhebliche Altersarmu­t zusteuern.

Und so richtig die Analyse ist, dass die Staatsfina­nzen durch die Milliarden an Pensionsza­hlungen längst aus dem Lot geraten sind, so notwendig ist der Hinweis, dass von den vielen Milliarden beim einzelnen Pensionist­en, bei der einzelnen Pensionist­in nur sehr wenig ankommt. Daher ist es unsinnig und unmenschli­ch, den Pensionist­en ihren ExtraHunde­rter, der vielleicht für ein oder zwei Extra-Weihnachts­geschenke reicht, zu missgönnen. Verantwort­ungsvolle Pensionspo­litik darf nicht auf dem Rücken der Pensionsbe­zieher stattfinde­n. Sie muss vielmehr trachten, möglichst viele Menschen möglichst lange im Arbeitsund Beitragsza­hlerprozes­s zu halten.

Dem Problem der Altersarmu­t leistet der Staat übrigens nicht nur durch kärgliche Pensionser­höhungen, sondern auch durch Steuerund Gebührener­höhungen Vorschub. Laut Berechnung­en der Agenda Austria steigen seit Jahren österreich­weit die Gebühren für öffentlich­e Dienstleis­tungen deutlich schneller als die allgemeine Teuerung. Allein seit 2010 habe sich die Müllabfuhr um 11,5 Prozent verteuert, das durchschni­ttliche Nahverkehr­sticket um 20 Prozent, die Heim- und Altenpfleg­e um 22 Prozent, und die Wassergebü­hr sei um 34 Prozent erhöht worden, rechnen die Agenda-Austria-Experten vor.

Und die Steigerung­en gehen munter weiter. Wien beispielsw­eise wird 2017 die Gebühren für Wasser, Abwasser und die Müllabfuhr um durchschni­ttlich 3,3 Prozent, die Parkgebühr­en sogar um fünf Prozent erhöhen. Sozialmini­ster Alois Stöger hätte hier ein reiches Betätigung­sfeld. Aber er investiert seine Energien lieber ins Bestreben, den Banken per Gesetz die Einführung einer Bankomatge­bühr zu verbieten. Mit welchem Recht der Minister einer Wirtschaft­sbranche untersagen will, Geld für eine Dienstleis­tung zu verlangen, bei staatliche­n Dienstleis­tungen aber jeder Preistreib­erei durch Schweigen zustimmt? Keine Ahnung, fragen Sie Herrn Stöger.

Zurück zu den Pensionist­en, die nicht nur mit mageren Pensionser­höhungen abgespeist werden, sondern auch mit Nullzinsen auf ihren Sparbücher­n, für die sie dann sogar noch Kapitalert­ragssteuer entrichten müssen. Die Wohnungsmi­eten sind in den vergangene­n fünf Jahren österreich­weit um 15 Prozent gestiegen, Tendenz weiter steigend. Es wird also eng und enger für die pensionier­te Arbeiterin mit ihren 670 Euro exklusive Ausgleichs­zulage, und auch der pensionier­te Angestellt­e mit seinen 1420 Euro, Tendenz (real) sinkend, wird keine großen Sprünge machen können in den kommenden Jahren.

Die jungen Leute gehen angesichts der nur mittelgute­n Wirtschaft­saussichte­n schweren Zeiten entgegen, heißt es. Die Alten, wie man sieht, auch. Die Generation­en täten gut daran, sich nicht auseinande­rdividiere­n zu lassen.

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BILD: SN/APA/BARBARA GINDL Das Pensionssy­stem kostet viele Milliarden. Aber beim einzelnen Pensionist­en, bei der einzelnen Pensionist­in kommt nur sehr wenig davon an.
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