Salzburger Nachrichten

Meistens sagt der Körper, was gut tut

Wer gesund ist und ein bisschen in sich hineinhört, weiß bald, welches Essen Energie liefert und welches nur schlapp macht. Künstliche Nährstoffe sollte man nicht wahllos schlucken.

- URSULA KASTLER

Gesundes Essen ist beinahe zu einer Glaubensfr­age geworden. An jeder Ecke sind dazu Ratschläge erhältlich. Dennoch oder gerade deswegen ist die Verunsiche­rung groß. Was soll man essen, was weglassen? Welche Nährstoffe sind wichtig, sollte man sie ab und zu künstlich ergänzen oder besser nicht?

Karin Hofinger, Apothekeri­n und Ernährungs­beraterin, plädiert dafür, modische Ernährungs­trends links liegen zu lassen und wieder mehr auf den eigenen Körper und seine Bedürfniss­e zu hören.

SN: Nahrungser­gänzungsmi­ttel werden stark beworben. Sie sind zu einem sehr guten Geschäft geworden. Ist es überhaupt notwendig, dass man sie zu sich nimmt?

Karin Hofinger: Es gibt viele unterschie­dliche Ansätze. Es ist möglich, mit einer gesunden Ernährung dem Körper jene Nährstoffe zuzuführen, die er braucht. Das erfordert, dass man sich mit den Lebensmitt­eln und ihrer Zubereitun­g auseinande­rsetzt. Die allerwenig­sten Menschen setzen das wirklich um, auch weil im Alltag die Zeit dafür fehlt.

Im Ernährungs­bericht zu Österreich kann man allerdings auch regelmäßig nachlesen, dass gewisse Nährstoffe bei einem Großteil der Bevölkerun­g unterreprä­sentiert sind. Etwa Vitamin D in den Wintermona­ten, Zink bei sehr vielen Kindern, Vitamin B12 bei Senioren, Eisen bei Frauen und allgemein Selen.

Zudem ernähren sich viele Menschen zu einseitig mit zu vielen Fertigprod­ukten, die hauptsächl­ich Kalorientr­äger sind. Doch der Körper braucht die Mikronährs­toffe, um Energie zu gewinnen. SN: Kann man das selbst spüren, ob man sich ausreichen­d gut ernährt? Der beste Indikator für gutes Essen ist, sich auch noch fünf Stunden nach der Mahlzeit gut zu fühlen, Energie zu haben oder gut zu schlafen. Eindeutig falsch ist, wenn man etwa nach einem ausgiebige­n Frühstück so müde ist, dass man sich wieder hinlegen muss. Für Menschen, die sich gut spüren und gesund sind, liegt also die Wahrheit im Körpergefü­hl. SN: Wie bekommt man also beim Essen genügend Nährstoffe? Zu empfehlen ist eine gesunde Mischung jeden Tag auf den Teller. Das Essen sollte möglichst frisch und wenig verarbeite­t sein. Eine gute Richtlinie sind die Lebensmitt­el, die unsere Großmütter gekocht haben. Ein echtes Kartoffelp­üree ist also besser als das aus der Packung, die Hälfte des Tellers sollte mit Gemüse gefüllt sein, Fleisch und Süßes gibt es sparsam.

Gutes Fett ist notwendig, also gute Pflanzenöl­e und in Maßen auch Butter. Kartoffeln mit Butter oder ein Butterbrot sind kein Problem. Wer Fett spart, hat gleich wieder Hunger und greift dann zu Süßigkeite­n. SN: Was raten Sie, wenn doch künstliche Nährstoffe notwendig sind? Nicht gut ist, wahllos etwas zu schlucken. Es gibt speziell ausgebilde­te Ärzte und Apotheker, die sich mit Mikronährs­toffen auskennen. Als Laie würde ich sie konsultier­en. Den Mangel von Mikronährs­toffen kann man über das Blutbild bestimmen lassen. Sehr sinnvoll wäre das etwa mit Vitamin D im Herbst.

Zu beachten ist, dass Nährstoffe mit bestimmten Medikament­en Wechselwir­kungen haben können. Ein Mittel gegen Diabetes stört etwa die Resorption von Vitamin B12 im Körper. Bei Schilddrüs­enerkranku­ngen sollte man den Selenspieg­el im Auge behalten. SN: Welche Rolle spielt die Psyche beim Essen? Sie spielt eine große Rolle. Meine Erfahrung ist, dass das Essen die Seele, die Sinne und den Körper nährt. Schön angerichte­tes Essen, ein liebevoll gedeckter Tisch und die guten Düfte machen die Seele satt. Damit sinkt auch das Verlangen nach einer süßen Nachspeise. Fast jeder Mensch ist auf süßen Geschmack getrimmt. Das Süße ist der Urgeschmac­k für Sicherheit, Geborgenhe­it und Beschützts­ein. Deshalb greifen viele Menschen im Stress oder bei Kummer und Einsamkeit zu etwas Süßem. Eine Nascherei am Nachmittag ist auch nicht so gut, denn eine halbe Stunde später hat man wieder ein Tief, weil der Insulinspi­egel abfällt. Der Zuckeranst­ieg im Körper macht zwar glücklich, weil er Zellen im Gehirn stimuliert wie eine Droge. Das ist aber eine Scheinlösu­ng. Nach drei Tagen Entzug ist man so weit, dass man sich umstellen kann. SN: Ab wann ist Essen als Trost ein Warnsignal? Essen als Trost ist nur dann ein schlechtes Zeichen, wenn es ein Muster ist, wenn ich unbewusst zum Süßen greife. Für den, der es sich bewusst macht und sich damit auseinande­rsetzt, sollte es kein Problem sein.

Manchmal hilft stattdesse­n achtsam zu essen, sich Zeit zu lassen, zu kosten, richtig zu schmecken. Oder sein Bedürfnis über Düfte auszutrick­sen. Süßgelüste kann man mit ätherische­n Ölen oder einer Ölmassage gut eindämmen. Karin Hofinger ist Mikronährs­toffSpezia­listin, Nährstoff-Apothekeri­n und Ernährungs­beraterin sowie Seminarlei­terin und Trainerin mit dem Themenschw­erpunkt Ernährung und Gesundheit. Das „Handbuch Gesunde Küche. Wohlfühlen und genießen mit dem VitalTelle­r-Modell. Über 200 köstliche Rezepte“ist im Verlag Löwenzahn erschienen.

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BILD: SN/DANIEL VINCEK - FOTOLIA Eine Mischung aus guten Nahrungsmi­tteln ist gesund und macht satt.
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