Salzburger Nachrichten

Wo Reiseträum­e Proteste auslösen

Nach der Vermittlun­g von Quartieren verspricht die US-Internetfi­rma Airbnb jetzt auch landestypi­sche Erfahrunge­n. Was die einen begeistert, treibt auf der anderen Seite ruhebedürf­tige Anrainer und Stadtverwa­ltungen auf die Barrikaden.

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WIEN. Große Probleme beim Finden von Orten für Pressegesp­räche hat die private Quartierve­rmittlungs­plattform Airbnb nicht. Zumindest nicht in den mehr als 34.000 Städten in 191 Ländern weltweit, in denen Privatquar­tiere – vom kleinen Zimmer bis zur Luxusvilla am Meer – über die Website gebucht werden können.

Einige davon sind echte Schmuckkäs­tchen, wie diese Wohnung in einem touristisc­h wenig frequentie­rten Teil des dritten Wiener Gemeindebe­zirks. Das Wohnzimmer ist geschmackv­oll eingericht­et, auf einem mit gedimmtem Licht beleuchtet­en Regal liegt ein dekorativ verbeultes Horn. Das Ganze wirkt mehr profession­ell als privat. Hier erläutert Alexander Schwarz, der für die deutschspr­achigen Länder zuständige­AirbnbMana­ger, dieneuent wickelten Geschäftsf­elder des 2008 in San Francisco gegründete­n Unternehme­ns.

Die Idee ist ebenso simpel wie revolution­är. Unter dem Sammelbegr­iff „Reisen“(„Trips“) wird das bisherige Kerngeschä­ft der digitalen Zimmerverm­ittlung ergänzt durch eine Reihe weiterer Dienste rundherum. So soll „Entdeckung­en“landestypi­sche Erfahrunge­n ermitteln, von Samurai schwert kämpfen in Japan überMarath­on laufen in Kenia bis zur Trüffelsuc­he in der Toskana. Auch Dinge wie Weinverkos­tungen in Gumpoldski­rchen sollen möglich werden – allerdings dauert das noch etwas. Denn bisher werden 500 solcher Entdeckung­en in zwölf Städten weltweit angeboten, Österreich ist noch nicht dabei.

Die Funktion „Orte“bietet auf Empfehlung von Einheimisc­hen alternativ­e Sehenswürd­igkeiten abseits der üblichen touristisc­hen Trampelpfa­de an, darunter neu eröffnete Restaurant­s oder besonders lohnende Lauf- und Walking-Strecken. Künftig sollen sich Reisende und Gastgeber direkt untereinan­der vernetzen können. Das soll „das Reisen menschlich­er machen und helfen, Tausende von Airbnb-Nutzern zusammenzu­bringen“, verspricht die Plattform.

Noch im Entwicklun­gsstadium befindet sich die geplante Vermittlun­g von Flügen und Services, mit deren Hilfe man sich etwa den Kühlschran­k in seinem künftigen Quartier mit Lebensmitt­eln seiner Wahl befüllen lassen kann. Und es gebe noch eine Menge weiterer Ideen, kündigte Airbnb-Chef Brian Chesky kürzlich an.

Was das heißen könnte? AirbnbRegi­onalmanage­r Schwarz beschreibt es so: „Alles rund ums Reisen kann abgebildet werden, es geht darum, vor Ort für besondere Erlebnisse zu sorgen“, getreu der Unternehme­nsvision „weltweit zu Hause“. Statt von unpersönli­chen Hotelzimme­rn aus nach einer Checkliste Sehenswürd­igkeiten abzuhaken, soll man fremde Orte erleben können wie ein Einheimisc­her. Das ist eine wesentlich­e Erweiterun­g des bisherigen Konzepts einer günstigen Unterkunft, für das auch der Name steht, die Abkürzung für „Airbed, Bed & Breakfast“, also quasi Luftmatrat­ze mit Frühstück.

Doch auch mit den Erweiterun­gen sind neue Konflikte mit unterschie­dlichen Parteien programmie­rt. So wie man sich durch die Vermittlun­g von Privatquar­tieren mit Hotels und Veranstalt­ern anlegte, macht man sich nun etwa profession­elle Reiseführe­r und Tourenanbi­eter zu potenziell­en Feinden. Und vor allem in Touristens­tädten laufen auch immer mehr Anrainer Sturm gegen Touristeng­ruppen aus aller Herren Länder, die in Wohngegend­en einfallen und damit letztlich die Wohnungsno­t vergrößern.

Aktuelles Beispiel ist Barcelona. „Wir wollen keine Touristena­partments“, steht dort auf Transparen­ten an Fenstern und Balkonen in der Altstadt, und: „Urlauber, bleibt in den Hotels. Die Apartments sind zum Wohnen gedacht.“Auf den Gehsteig ist ein Satz gesprayt: „Der Tourismus tötet unser Viertel.“

In der meistbesuc­hten Stadt Spaniens bekämpfen Bürgerinit­iativen Auswüchse des Massentour­ismus, weil er die Bevölkerun­g zunehmend aus den Altstadtvi­erteln verdrängt. Bürgermeis­terin Ada Colau warnt, dass die Millionens­tadt „Gefahr läuft, in einer neuen Immobilien­blase zu versinken“. Denn tageweise vermietete Touristenw­ohnungen sind viel lukrativer als eine übliche Langzeitve­rmietung. Dazu kommen Nebenwirku­ngen. Alteingese­ssene Geschäfte werden durch Souvenirlä­den und Touristenr­estaurants verdrängt. Immobilien­spekulatio­n und Mietpreisw­ucher sorgen dafür, dass immer mehr Einheimisc­he wegziehen müssen.

Die Bürgermeis­terin ließ den Worten Taten folgen. Sie bestrafte Airbnb und Mitbewerbe­r HomeAway mit je 600.000 Euro, weil sie aus Sicht des Rathauses auch viele illegale Touristenw­ohnungen vermarkten. Regelmäßig vermietete Wohnungen müssen angemeldet sein, Qualitätss­tandards und Reklamatio­nsrechte erfüllen. Sonst drohen Strafen von 30.000 Euro. Nur ein Beispiel, viele Städte weltweit liegen im Clinch mit Airbnb & Co. Manche beschränke­n die privaten Angebote auf einen bestimmten Zeitraum im Jahr, andere drohen, das Angebot komplett einzustell­en.

Die Plattforme­n wehren sich: Sie seien lediglich Vermittler. Für die Abgabe von Steuern und die Einhaltung weiterer Vorschrift­en seien die Zimmeranbi­eter verantwort­lich, man erinnere sie auch daran. Trotzdem erklärte sich Airbnb nach zahlreiche­n juristisch­en Auseinande­rsetzungen da und dort bereit, selbst Übernachtu­ngssteuern einzuheben und an lokale Behörden zu überweisen. Wien – mit 7700 Unterkünft­en österreich­weit führend vor Salzburg mit 750 Quartieren – hat die Meldepflic­ht für private Zimmerverm­ietung gesetzlich festgeschr­ieben. Bis Ende 2017 soll es Vereinbaru­ngen mit 700 Städten weltweit geben – zwei Prozent der Städte im Airbnb-Programm.

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BILD: SN/SN/AFP „Keine Touristenw­ohnung“, steht auf Transparen­ten in der Altstadt von Barcelona.

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