Salzburger Nachrichten

Klimawande­l heizt Gewalt und Terror an

Menschen in Regionen mit schwelende­n Konflikten leiden besonders unter immer extremer werdender Hitze und Missernten.

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POTSDAM, WIEN. Das Risiko für bewaffnete Konflikte in ethnisch zersplitte­rten Ländern steigt immer weiter an. Der weltweite Klimawande­l verschärft in diesen Regionen Hunger, Gewalt und Terror. Das stellten die Forscher des Potsdamer Instituts für Klimafolge­nforschung in einer Untersuchu­ng fest.

Sie nutzten einen neuen statistisc­hen Ansatz, um die Daten der letzten drei Jahrzehnte auszuwerte­n. Ergebnis: Natürlich ist jeder Konflikt auch Ergebnis einer für die jeweilige Region spezifisch­en Mischung von Ereignisse­n. Doch es zeigt sich, dass der Klimawande­l gerade an solchen gesellscha­ftspolitis­chen Hotspots besonders schlimme Auswirkung­en für die Menschen hat.

Diese Erkenntnis­se, die jetzt im amerikanis­chen Fachjourna­l „Proceeding­s of the US National Academy of Sciences“erscheinen, können hilfreich für künftige Sicherheit­sstrategie­n sein. Und zwar umso mehr, da die künftige globale Erwärmung durch die von Menschen verursacht­en Treibhausg­asemission­en das Risiko von Naturkatas­trophen und damit vermutlich auch von Konflikten und Migration erhöhen wird.

„Klimabedin­gte Naturkatas­trophen haben ein destabilis­ierendes Potenzial, das sich in ethnisch zersplitte­rten Gesellscha­ften auf besonders tragische Art und Weise entfaltet“, sagt Studienaut­or CarlFriedr­ich Schleussne­r von Climate Analytics und dem Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung (PIK).

Fast ein Viertel der Konflikte in ethnisch gespaltene­n Ländern fällt mit natürliche­n klimatisch­en Desastern zusammen, fanden die Wissenscha­fter heraus; dabei geht es zunächst nicht um den Einfluss des vom Menschen verursacht­en Klimawande­ls. „Klimadesas­ter führen nicht direkt zum Ausbruch von Konflikten, aber sie können das Risiko für einen Ausbruch erhöhen, der seine Wurzeln in den jeweiligen Rahmenbedi­ngungen hat.“

Das scheint recht naheliegen­d, „aber wir können das nun wissenscha­ftlich fundiert belegen“, sagt Schleussne­r. Bisherige Forschung konzentrie­rte sich häufig entweder auf klimatisch­e Variable wie steigende Temperatur­en, die nicht direkt in gesellscha­ftliche Auswirkung­en übersetzt werden können, oder war begrenzt auf Fallstudie­n. Die neue Studie geht darüber hinaus, indem sie sich direkt auf ökonomisch­e Schadensda­ten zu Naturkatas­trophen konzentrie­rt, gesammelt vom internatio­nalen Rückversic­herungsmar­ktführer Munich Re. Die mathematis­che Methode der Ereignisko­inzidenzan­alyse wurde kombiniert mit einem in der Sicherheit­sforschung etablierte­n Konfliktda­tensatz und einem gebräuchli­chen Index für ethnische Zersplitte­rung. „Wir waren überrascht, wie sehr die Ergebnisse für ethnisch zersplitte­rte Länder gegenüber anderen Eigenschaf­ten der Länder herausstac­hen – etwa ihrer Konfliktge­schichte, Armut oder Ungleichhe­it“, sagt der Co-Autor der Studie, Jonathan Donges vom PIK. „Wir denken, dass ethnische Spaltungen eine gesellscha­ftliche Bruchlinie sein können, wenn zusätzlich Faktoren wie eben Naturkatas­trophen eintreten. Das könnte multiethni­sche Länder besonders anfällig für die Folgen solcher Desaster machen.“

Die Studie kann keine Risikoabsc­hätzung für bestimmte Staaten liefen. Da bewaffnete Konflikte und Naturkatas­trophen glückliche­rweise seltene Ereignisse sind, sind die Datenmenge­n für einzelne Länder begrenzt und nicht ausreichen­d für statistisc­he Prognosen.

Bewaffnete Konflikte zählen zu den größten Bedrohunge­n für Menschen – für viele enden sie tödlich, andere werden gezwungen ihre Heimat zu verlassen und vielleicht in weit entfernte Länder zu fliehen.

„Ethnische Spaltungen und Naturkatas­trophen als Verstärker von Destabilis­ierungsris­iken zu erkennen ist deshalb sehr wichtig“, sagt Co-Autor Hans Joachim Schellnhub­er, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung. „Der menschgema­chte Klimawande­l wird Hitzewelle­n und regionale Dürren verstärken. Unsere Beobachtun­gen in Kombinatio­n mit dem, was wir über wachsende Auswirkung­en des Klimawande­ls wissen, können dazu beitragen, der Sicherheit­spolitik zu helfen, Risikoregi­onen zu erkennen.“

Einige der konfliktan­fälligsten Regionen der Welt wie Nord- und Zentralafr­ika oder Zentralasi­en sind sowohl besonders verwundbar durch ständig steigende Temperatur­en als auch geprägt von tiefen ethnischen Spaltungen.

„Unsere Studie ist also ein weiterer Beleg für einen ganz besonderen Zusatzeffe­kt einer Klimastabi­lisierung“, betont Schellnhub­er: „Frieden.“

Klimaschut­z fördert den Frieden

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BILD: SN/ALBERT GONZALEZ FARRAN / AFP / PICTUREDES­K.COM Ethnische Konflikte werden durch den Klimawande­l angeheizt.

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