Ein Stunk trübt die Feier von Rosbergs erstem WM-Titel
„Bremser“Hamilton vergaß im Herzschlagfinale auf die Fairness. Es nützte nichts: Rosberg rettete mit Platz zwei hinter dem Teamkollegen den WM-Gewinn gegen Vettel und Verstappen.
Es war ein denkwürdiges Finale mit den spannendsten Schlussrunden seit Langem. 0,4 Sekunden zwischen Erstem und Zweitem, 0,8 Rückstand des Dritten, 1,5 des Vierten, 5,3 des Fünften. Der Einlauf Sonntag im Formel-1-Finale hieß Hamilton vor Rosberg, Vettel, Verstappen und Ricciardo. Damit war Rosberg erstmals Weltmeister. Auf fünf Zähler war der Vorsprung nach dem zehnten Saisonsieg des Mercedes-Rivalen zusammengeschmolzen, aber er reichte.
Doch der entthronte Titelverteidiger Lewis Hamilton sorgte dafür, dass es im Mercedes-Lager keine ungetrübte Feier gab. Er fuhr in der Schlussphase so, dass ihn Rosberg gerade nicht überholen konnte, dass aber der Rivale durch die Verfolger Sebastian Vettel (nach einer endlich einmal geglückten Reifenstrategie Ferraris) und Max Verstappen (war nach einer Kollision mit Nico Hülkenberg in der ersten Kurve sogar auf den letzten Platz zurückgefallen) gehörig unter Druck kam. Ein vierter Platz Rosbergs hätte Hamilton neuerlich den Titel, seinen vierten, gebracht.
Das Verhalten des Briten ließ sogar Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda und Teamchef Toto Wolff um Worte ringen. „Ich muss aufpassen, dass ich jetzt nichts Falsches sage“, knirschte Wolff in die Mikrofone. „Lewis hat sich nicht korrekt verhalten, wir müssen jetzt sehen, wie wir damit umgehen“, erklärte Wolff spontan. Und weiter: „Er hat sich für seinen Weg entschieden, der in unseren Prinzipien nicht vorgesehen war. Er hat unsere Strukturen unterwandert. Das ist ein Präzedenzfall, den wir untersuchen müssen.“Lauda sah die Geschehnisse in den letzten Runden ganz ähnlich, nachdem er seine Kappe vor dem neuen Weltmeister gezogen hatte: „Ich weiß, wie schwierig die erste WM zu gewinnen ist. Aber Lewis gefährdete Nicos Titel, und er setzte seinen eigenen Sieg gegen Vettel und Verstappen aufs Spiel.“
Wie Wolff bestätigte, wies der Technische Direktor Paddy Lowe Hamilton mehrfach an, sein Tempo zu erhöhen – was der Engländer ignorierte. Und Wolff erwähnte auch: „Christian Horner (Red-BullTeamchef, Anm.) sah Hamiltons Verhalten schon am Samstag voraus – vielleicht will Lewis in Zukunft für Red Bull fahren?“Feierstimmung zum Saisonende sieht wohl anders aus. Schließlich erklärte der Wiener noch: „Unser Prinzip in all den Jahren war, beide frei fahren zulassen, solange kein Sieg gefährdet ist. Das war diesmal nicht mehr der Fall. Ein Mercedes-Erfolg war durch Hamiltons Langsamfahrt gefährdet.“Der Brite antwortete Lowe nach dessen Aufforderungen, schneller zu fahren, über Funk: „Ich bin gerade dabei, die WM zu verlieren, also ist es mir auch egal, diesen Sieg zu verspielen.“
Auch wenn Rosberg nach der Auslaufrunde seinen Mercedes in „Donuts“auf der Zielgeraden herumwarf und danach ausgelassen aus dem Cockpit sprang, seine Mannschaft und natürlich Gattin Vivian umarmte und den Fans zuwinkte, war ihm die Anspannung der vorangegangenen Stunde schon im „Abkühlraum“vor der Siegerehrung anzumerken. Danach waren seine Augen feucht, den Marathon mit Interviews und Pressekonferenzen konnte er nur mit fast weinerlicher Stimme absolvieren. „Das war sicher nicht das erfreulichste Rennen für mich“, gab der neue Champ unumwunden zu. Rosberg hatte, wie sich nachher herausstellte, über Funk mehrfach urgiert, Hamil- ton solle ihn vorbeilassen, er würde ihm knapp vor Schluss wieder den Sieg überlassen, sollte für ihn Rang zwei gesichert sein. Doch Hamilton sah keine Veranlassung mitzuspielen. „Ich bin wirklich froh, dass es vorbei ist. Die letzten Runden waren wie in Ekstase.“Rosberg versuchte, die Fairness aufrechtzuerhalten: „Gratulation an Lewis, er ist ein großer Gegner. Ihn zu schlagen ist nie leicht.“Doch das klang mehr nach guter Erziehung.
Hamilton hatte den Rivalen noch im Parc fermé kurz umarmt und auf dem Podium beim Interview mit David Coulthard Rosberg gratuliert, was aber sehr förmlich klang.
Hamilton vermied es tunlichst, auf die Situation im Finish einzugehen, er blieb in seinen Aussagen lapidar: „Ich habe in den vergangenen Rennen mein Bestes gegeben, leider hat es nicht gereicht. Mehr konnte ich nicht tun. Ich werde heute Nacht viel Spaß beim Feiern haben.“Hamilton gab auch zu, sich bewusst so verhalten zu haben: „Ich musste es so versuchen.“
Der, der am Ende der Fröhlichste war, war der Drittplatzierte. Sebastian Vettel: „Ein versöhnliches Finale. Heute waren wir sehr konkurrenzfähig.“
„Das war heute sicher nicht das erfreulichste Rennen.“ Nico Rosberg