Salzburger Nachrichten

Bürgermeis­ter fürchten Stillstand durch längere Verfahren

Das Land soll die Aarhus-Konvention umsetzen. Dann könnten rund 50 Organisati­onen bei Naturschut­zverfahren mitmischen.

- ANTON KAINDL

„Bei uns sind die Standards im Naturschut­z hoch genug.“ Wolfgang Viertler, Bgm. Mittersill

Die Konvention von Aarhus Der schon 1998

in der dänischen Stadt Aarhus beschlosse­ne Vertrag hat den Schutz der Umwelt zum Ziel und geht davon aus, dass jeder Mensch das Recht und die Pflicht hat, die Umwelt zu schützen und zu verbessern.

Die drei Säulen

der Konvention sollen das garantiere­n. Die erste Säule ist der Zugang der Öffentlich­keit zu Umweltinfo­rmationen. Die zweite Säule ist die Öffentlich­keitsbetei­ligung an Genehmigun­gsverfahre­n von Großprojek­ten. Die dritte Säule ist der Zugang der Öffentlich­keit zu Gerichten in umweltbezo­genen Verfahren. Österreich hat die Aarhus-Konvention 2005 ratifizier­t, die dritte Säule aber bisher unzureiche­nd umgesetzt. Es läuft ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren.

SALZBURG. Ist für den Bau einer Seilbahn oder eines Kraftwerks eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP) nötig, dauert das Genehmigun­gsverfahre­n oft Jahre. Und es kann Millionen kosten. Nun gibt es Befürchtun­gen, dass es auch bei Klein- und Kleinstver­fahren im Naturschut­z zu einem enormen Zuwachs an Bürokratie und somit zu längeren und kostspieli­geren Verfahren kommt.

Der Mittersill­er Bürgermeis­ter Wolfgang Viertler als Obmann des Regionalve­rbands Oberpinzga­u spricht in einem Brief an die Landesregi­erung von einem drohenden Chaos, weil „nach den Vorgaben der EU allen größeren Umwelt- und Naturschut­zorganisat­ionen (NGOs) wie beispielsw­eise dem Naturschut­zbund, dem Alpenverei­n oder dem WWF eine Parteistel­lung in Naturschut­zverfahren eingeräumt werden muss, die jener der Landesumwe­ltanwaltsc­haft gleicht.“Danach hätten die NGOs nicht nur wie schon jetzt in den großen UVP-Verfahren, sondern auch bei allen kleineren Naturschut­zverfahren „ein massives Mitwirkung­sund – wenn man es nüchtern sehen möchte – Verhinderu­ngsrecht“. Die Rede ist von sämtlichen nach dem UVP-Gesetz in Österreich anerkannte­n NGOs. Das sind etwa 50. Neben WWF, Naturschut­zbund, Alpenverei­n, Naturfreun­den, Greenpeace und BirdLife gehören dazu zum Beispiel auch der deutsche Alpenverei­n, der Verein Lebenswert­es Traisental und der Verein der Freunde zur Förderung des Lebendbaum­kreises.

Bei den angesproch­enen Vorgaben der EU handelt es sich um die sogenannte Aarhus-Konvention. Der umstritten­e Teil des Übereinkom­mens ist jener, der der Öffentlich­keit Zugang zu Gerichten in umweltbezo­genen Verfahren garantiert. Der 1998 im dänischen Aarhus beschlosse­ne Vertrag ist EU-Recht und wurde von Österreich 2005 anerkannt, aber bis heute, was die umstritten­e Passage betrifft, nicht umgesetzt. Dazu müssten alle Bundesländ­er Gesetze ändern. Aber nur in Wien liegt zumindest ein Entwurf vor.

Der Klubobmann der Grünen im Landtag, Cyriak Schwaighof­er, sagt, es laufe bereits ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren der EU gegen Österreich. Eine Anpassung der Gesetze auch in Salzburg ist aus Sicht der Grünen deshalb unumgängli­ch. Schwaighof­er hofft, dass das noch in der laufenden Legislatur­periode, also vor 2018, passiert. Es gebe dazu Gespräche zwischen LH-Stv. Astrid Rössler (Grüne) und Landesrat Josef Schwaiger vom Koalitions­partner ÖVP. Ursprüngli­ch planten die Grünen, die Umsetzung der Aarhus-Konvention kurzfristi­g noch in die vor wenigen Wochen beschlosse­ne Novelle des Salzburger Naturschut­zgesetzes einzubezie­hen. Man kam aber dann zu dem Schluss, dass es einer breiteren Befassung mit der Materie bedürfe. Was „Zugang der Öffentlich­keit zu Gerichten“bedeute, dazu gebe es unterschie­dliche Interpreta­tionen, so Schwaighof­er. „Es gab deshalb eine Arbeitsgru­ppe von Bund und Ländern. Sie empfahl ein nachträgli­ches Beschwerde­recht von durch das UVP-Gesetz anerkannte­n NGOs gegen Bescheide beim Landesverw­altungsger­icht.“Nach dem Gang zum Landesverw­altungsger­icht wäre auch noch die Revision beim Verwaltung­sgerichtsh­of möglich. So will es Wien umsetzen und auch in Salzburg geht es in diese Richtung.

Astrid Rössler schrieb in ihrer Antwort an Wolfgang Viertler, die Bedenken, dass auch kleinere Naturschut­zverfahren durch eine nicht vorhersehb­are Beteiligun­g von Umweltorga­nisationen langwierig und in der Sache strittig werden könnten, seien für sie grundsätzl­ich nachvollzi­ehbar.

„Die NGOs würden nicht jedes Verfahren blockieren.“ Astrid Rössler, LH-Stv. (Grüne)

„Anderersei­ts können wir die Sache aus der Praxis heraus auch realistisc­her sehen: Nicht für jede Geländekor­rektur oder Sportplatz­erweiterun­g außerhalb von Schutzgebi­eten wird eine Umweltorga­nisation in den Oberpinzga­u reisen.“Im Gespräch mit den SN ergänzt Rössler: „Die NGOs haben weder Lust noch die Kapazität, jedes Verfahren zu blockieren. Ich denke, sie würden dieses Mittel so wie die Landesumwe­ltanwaltsc­haft maßvoll einsetzen.“Rössler würde es entgegen den Empfehlung­en der Bund-Länder-Arbeitsgru­ppe bevorzugen, wenn die NGOs schon während des Verfahrens einbezogen würden, und nicht erst dann, wenn ein Bescheid vorliege. „Das würde die Chance auf einen Konsens erhöhen. “

Landesrat Schwaiger sieht keinen Zeitdruck. Er sagt: „Ich bin dafür, dass so wesentlich­e Änderungen breit diskutiert werden. Ich glaube nicht, dass wir bis 2018 zu einer Lösung kommen. Ich warte auf eine Leitlinie der Europäisch­en Kommission, welche Mindestanf­orderungen nötig sind.“Schwaiger sieht die Einführung einer weiteren Instanz in Behördenve­rfahren äußerst kritisch. „Das können wir der Bevölkerun­g und den Behörden nicht antun. Mir ist die Natur sehr wichtig. Aber wir müssen aufpassen, dass wir jenen, die die Verantwort­ung tragen, nicht die Umsetzung von Projekten durch Hürden verunmögli­chen.“Salzburg sei schon jetzt das Land der Bürgerinit­iativen. „Es kann nicht sein, dass eine kleine Gruppe der Bevölkerun­g, die ihre Energie dafür einsetzt, Dinge zu verhindern, ein Diktat ausübt, während die Mehrheit eine Umsetzung will wie bei den Windrädern.“

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Auch Hochwasser­schutzbaut­en wie
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BILD: SN/ANTON KAINDL hier in Saalfelden könnten sich verzögern.
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