Kuba nimmt Abschied von Fidel Castro
Die Kubaner nehmen Abschied von Fidel Castro, der schon zu Lebzeiten eine Legende war.
Alle Flaggen wehen auf halbmast, Rundfunk und Fernsehen sollen „informative, patriotische und historische“Programme bringen. Nach dem Tod von Revolutionsführer Fidel Castro wurde in Kuba eine neuntägige Staatstrauer angeordnet. In dieser Zeit finden keine öffentlichen Veranstaltungen statt, Tanzlokale bleiben geschlossen und der Ausschank von Alkohol ist verboten. Nach einem viertägigen Trauerzug durch das Land soll kommenden Sonntag in Santiago die Trauerfeier für den „Máximo Líder“stattfinden.
HAVANNA, MEXIKO-STADT. Irgendwann, während seines langen Lebens, sagte Fidel Castro einmal: „Ich habe ein echtes Problem. Wenn ich eines Tages tot bin, wird es mir niemand glauben.“Vermutlich wurde kein anderer Mensch so oft für tot erklärt wie der kubanische Revolutionsführer. 638 Attentatspläne und Mordversuche gegen ihn habe es im Laufe seiner 48 Jahre an der Macht gegeben, behauptet die offizielle kubanische Zählung. Der US-Geheimdienst CIA, Exilkubaner oder die Mafia hätten Fidel mit explodierenden Zigarren, Giftpfeilen und Dolchen, mit Handgranaten, vergifteten Kugelschreibern oder mit gedungenen Geliebten zur Strecke zu bringen versucht.
Am Ende starb Fidel Alejandro Castro Ruz am Freitagabend im Alter von 90 Jahren eines natürlichen Todes. Selbst dabei bewies er historisches Bewusstsein: Er schied auf den Tag genau 60 Jahre nachdem er mit 81 Revolutionären auf dem altersschwachen Schiff „Granma“von Mexiko aus nach Kuba kam, um Diktator Fulgencio Batista zu stürzen, aus dem Leben.
Der damals 32-jährige Castro hatte mit seiner Guerillaarmee schwere Verluste hinnehmen müssen, ehe er Batista Anfang 1959 zur Kapitulation zwang und in Havanna einmarschierte. Nach dem Sieg der Revolution scherte sich Castro anfangs noch wenig um kommunistische Lehrsätze. Erst die Wirtschaftsblockade der USA und der Druck aus seinem Umfeld, vor allem durch Bruder Raúl, brachten ihn dazu, sich der Sowjetunion zuzuwenden. Aber Fidel propagierte seine eigene Form des Sozialismus: eine Mischung aus Marx, Lenin, dem kubanischen Freiheitshelden José Martí. Heraus kam der Fidelismus, ein System, in dem der Staatschef und sein Charisma eine größere Rolle spielen als politische Doktrinen.
Durchsetzungsvermögen und Starrsinn waren Castros hervorstechende Eigenschaften. Schon früh erwachte in ihm zudem das Gefühl für soziale Gerechtigkeit und Rebellion. Mit 13 Jahren versuchte er, die Zuckerrohrarbeiter auf der Finca seines Vaters zum Streik anzustiften. Fidel warf dem Vater Ausbeutung vor. Ángel Castro, ein galizischer Einwanderer, hatte es in Kuba vom mittellosen Arbeiter zu einem wohlhabenden Landbesitzer und Zuckerrohrfarmer gebracht. Ihm gehörten 800 Hektar eigenes und 10.000 gepachtetes Land in Birán im Osten der Insel. Dort wurde Fidel am 13. August 1926 als drittes von sieben Kindern geboren, die der Vater mit seiner Haushälterin Lina Ruz zeugte. Nach dem Sieg der Revolution war die elterliche Farm eine der ersten, die der neue Herr über Kuba verstaatlichte.
Fidel Castro war stets von messianischem Eifer beseelt und exportierte seine Revolution. Erst mit Worten und Waffen, später vor allem mit Ärzten und Lehrern. Rund 15 Jahre lang schickte er Truppen ins afrikanische Angola und nach Äthiopien. In Lateinamerika unterstützte er Freiheitsbewegungen in Bolivien, Nicaragua, El Salvador und Guatemala. 1979 erhielten 35 Staaten aus Kuba militärische oder zivile Hilfe. Allen voran das noch immer verbündete Venezuela.
Daheim opferte Castro unterdessen die politischen Freiheiten auf dem Altar sozialer Errungenschaften. Für ein vorbildliches Bildungsund Gesundheitssystem müssen die Kubaner die Entbehrungen der Planwirtschaft und die Überwachung durch den Staat in Kauf nehmen. Andersdenkende landen im Gefängnis oder gehen. Mehr als zwei Millionen Menschen haben Kuba seit der Revolution in Richtung Miami, Madrid und Mexiko verlassen, weil sie freie Meinung, freie Berufsausübung und freien Zugang zum Internet Parolen von „Sozialismus oder Tod“und zwölf bis 60 Euro Staatslohn vorziehen.