Regierung wagt sich wieder an Staatsreform
Innerhalb zweier Jahre wollen Bund und Länder schaffen, woran sie seit Jahrzehnten scheitern.
Es ist ein ehrgeiziges Ziel, das sich Bund und Länder gesetzt haben: „Bis zum Ende des Jahres 2018“, so steht es im Pakt zum Finanzausgleich, „kommen Bund, Länder und Gemeinden überein, (. . .) eine Bundesstaatsreform unter Berücksichtigung der Arbeiten des ÖsterreichKonvents vorzubereiten“. Ob in zwei Jahren gelingen kann, woran x Regierungen bisher gescheitert sind?
Der ehemalige Bundesratspräsident Herwig Hösele (ÖVP) – einer der Mitinitiatoren des ÖsterreichKonvents – ist skeptisch. „Wir sind Projekt-Weltmeister, aber Umsetzungszwerge.“Von den Vorschlägen des Österreich-Konvents, der von 2003 bis 2005 getagt hat und an dem alle relevanten Kräfte mitgearbeitet haben – von den Parteien, den Sozialpartnern, dem Rechnungshof bis zu Höchstrichtern –, wurde nur ein Bruchteil umgesetzt. Der größte Erfolg war die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, bei der vor zwei Jahren insgesamt 120 Behörden abgeschafft wurden.
Nichts getan habe sich hingegen beim größten Brocken, der Entwirrung der Kompetenzen von Bund und Ländern, kritisiert Hösele. Der Österreich-Konvent, der bisher wohl ambitionierteste Reformprozess in Österreich, ging 2005 ohne Konsens zu Ende. Bisher habe es stets am politischen Willen zur Umsetzung gefehlt, sagt Hösele.
WIEN. Gut versteckt auf Seite 17 im Pakt zum Finanzausgleich ist nachzulesen, welch ehrgeiziges Ziel sich Regierung und Landeshauptleute gesteckt haben: „Bund, Länder und Gemeinden“, heißt es da, „kommen überein, bis zum Ende des Jahres 2018 eine Bundesstaatsreform unter Berücksichtigung der Arbeiten des Österreich-Konvents vorzubereiten.“Was sperrig klingt, ist das am öftesten verschobene Großprojekt der Republik. In der Praxis brächte es bürokratische Erleichterungen, weniger Doppelgleisigkeiten und damit hohe Einsparungen.
In erster Linie geht es um die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern – ein Vorhaben, das seit dem Beschluss der Bundesverfassung im Jahr 1920 seiner Erledigung harrt und bisher stets daran gescheitert ist, dass keine Seite Macht abgeben will. Herwig Hösele, Mitbegründer des Österreich-Konvents, der von 2003 bis 2005 unter Beteiligung aller relevanten Kräfte (von Parteien über Sozialpartner bis zum Rechnungshof und zu Höchstrichtern) ein Konvolut an Reformvorschlägen auf den Tisch gelegt hat, fasst den Status quo im SNGespräch so zusammen: „Wir sind Projekt-Weltmeister, aber Umsetzungszwerge.“Was er damit meint: Eine Staatsreform, die diesen Namen verdient, ist zwar x-mal von x Regierungen versprochen worden, unterm Strich ist bisher aber wenig herausgekommen. Dementsprechend skeptisch ist der frühere Bundesratspräsident diesmal.
Im vergangenen Mai war nach der Übernahme des Kanzleramts durch Christian Kern und einem angekündigten „Neustart“wieder Schwung in das Vorhaben gekommen. Kern (SPÖ) und Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP) kündigten an, verstärkt auf Expertenvorschläge zurückgreifen zu wollen, die es bereits gebe: vom Rechnungshof bis zum Österreich-Konvent. Im Oktober wurde von Bund und Ländern anlässlich des Finanzausgleichs eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bald erste Ergebnisse liefern soll.
Wie der einstige Vorsitzende des Österreich-Konvents Franz Fiedler verweist auch Hösele darauf, dass es nicht an Vorschlägen mangle, sondern am fehlenden politischen Willen zur Umsetzung. Das größte Sparpotenzial sieht er im Gesundheitsbereich. Ein klassisches Beispiel dafür sind etwa Spitäler, die nur wenige Kilometer entfernt von einem anderen errichtet wurden – nur weil eine Bundesländergrenze dazwischenliegt. Oder die überfüllten Spitalsambulanzen, die dank Gruppenpraxen massiv entlastet werden könnten. Ganz oben steht auch eine Zusammenlegung der 22 Sozialversicherungsträger, die sich Österreich leistet. Überall gehe es aber auch um Machtfragen: „Alle Sozialpartner sitzen in all diesen Gremien und wollen auch weiterhin drinsitzen“, sagt Hösele.
Dass man nun eher auf eine „Politik der kleinen Schritte“setze, sieht er positiv. Er hofft auf einen „Einstieg zum Umstieg“, der beim Ausverhandeln des nächsten Finanzausgleichs Früchte tragen könnte. Etwa indem man über Steuerautonomie der Bundesländer spreche. Hösele verweist auf eine Studie des früheren IHS-Chefs Christian Keuschnigg, wonach die Finanzverwaltung umso effizienter sei, je höher die Eigenverantwortung und je dezentraler die Verwaltung sei, betont Hösele. Für die Regierung sei es jedenfalls insgesamt schwieriger geworden, weil sie bei der Umsetzung vieler Vorschläge auf eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat angewiesen sei, die sie nicht habe.
Dass seit 2005 gar nichts geschehen sei, stimme freilich auch nicht, betont er und verweist etwa auf die Einführung der Landesverwaltungsgerichte im Jahr 2014 oder das Streichen vieler veralteter Bestimmungen in der Verfassung im Jahr 2008.