Salzburger Nachrichten

Das Burgtheate­r trägt noch ein verheilend­es „blaues Auge“

Die Bundesthea­ter kamen mit dem Burgtheate­r-Fiasko in einen Finanzstru­del. Wie geht es drei Jahre danach?

-

Drei Jahre nach Beginn des Finanzdeba­kels im Burgtheate­r ist dessen Sanierung fast beendet. Im Jänner wird die Bundesthea­ter-Holding ihre wegen der einstigen Konkursgef­ahr übernommen­e Patronanze­rklärung wieder zurücknehm­en. Zudem ist das Eigenkapit­al des Burgtheate­rs wieder positiv. „Wir tragen noch ein blaues Auge mit, aber das verheilt“, sagt Holding-Chef Christian Kircher im SNIntervie­w. Allerdings: Drei Jahre nach Ausbruch der Finanzkris­e, die alle Bundesthea­ter betroffen hat, gibt es weder strafrecht­lich noch arbeitsrec­htlich eine erstinstan­zliche Entscheidu­ng.

Österreich­s größter Bühnenkonz­ern steht vor und nach wichtigen Entscheidu­ngen. Vor Weihnachte­n wurde mit der Designieru­ng Bogdan Roščićs die Weiche für die Wiener Staatsoper ab 2020 neu gestellt. Im Jänner wird eine im Finanzskan­dal im Burgtheate­r erlassene Notmaßnahm­e aufgehoben. Und nun nimmt sich Christian Kircher, der seit April 2016 die Bundesthea­terHolding leitet, zwei Projekte vor. SN: Sie waren in der Findungsko­mmission für die Direktion der Wiener Staatsoper. Wie fanden Sie Bogdan Roščić? Christian Kircher: Schon im Spätsommer – lange vor der Ausschreib­ung – haben wir uns mit dem Minister über eine mögliche Findungsko­mmission für die Wiener Staatsoper unterhalte­n. Da wurde der Name Bogdan Roščić erstmals genannt. Als ich Roščić dann wenig später in Berlin traf, war das ein nettes Gespräch von ungeheurer Intensität. Als ich ihn nach seinen Interessen an der Staatsoper fragte, antwortete Roščić, dass die Leitung der Oper ein Traumjob für ihn wäre. Mich hat das sehr überrascht.

Nach der Ausschreib­ung der Position im November wurde auch Bogdan Roščić zu einem Gespräch eingeladen. Er ist gekommen, dann hat das seinen Weg genommen.

Drei, vier lange Gespräche mit ihm haben mir gezeigt, dass er ein tiefes Wissen und ein großes Interesse an der Wiener Staatsoper hat. SN: Wie war die Entscheidu­ng über die Findungsko­mmission? Mit dem Minister haben wir uns geeinigt, keine klassische Findungsko­mmission einzuricht­en. Die Bewerberla­ge bei so einer Position ist überschaub­ar. Wir haben uns darauf verständig­t, dass Sektionsch­efin Andrea Ecker und ich als Eigentümer­vertreter, unterstütz­t von Deloitte, die Gespräche führen. Wir haben neun Personen dazu eingeladen. Der Prozess war transparen­t und ergebnisof­fen. Über Stärken, Möglichkei­ten und Risiken der Kandidatin­nen und Kandidaten haben wir dem Minister Bericht erstattet, ohne eine Reihung vorzunehme­n. SN: Dann hat Thomas Drozda entschiede­n? Ja, es ist gesetzlich vorgesehen, dass der Minister den Direktor bestellt. SN: Es wird gemunkelt, Bogdan Roščić komme über eine rote Seilschaft in die Staatsoper: über Gerhard Zeiler, unter dessen ORF-Intendanz er Ö3-Che fw urde ,K anzler Christian Kern und Minister Thomas Drozda. Ist da etwas dran? Das ist vollkommen absurd. Das war zu keinem Zeitpunkt auch nur ein Randthema. Niemand hat ihn nach seiner politische­n Einstellun­g gefragt, wir haben ausschließ­lich über Inhalte und Oper gesprochen. SN: Was gibt Ihnen die Zuversicht, dass Bogdan Roščić einen Betrieb mit fast 1000 Mitarbeite­rn und so ein komplexes Gebilde wie ein Repertoire­theater leiten kann? Quereinste­iger hat es immer gegeben, viele erfolgreic­he Musikmanag­er sind von außen gekommen: Alexander Pereira (vorher bei Olivetti), Ioan Holender (Sänger und Konzertage­nt) oder Eberhard Waechter (Sänger). Sie alle hatten zuvor kein Opernhaus geführt.

Bogdan Roščić hat sich in großen Organisati­onen bewegt. Als Geschäftsf­ührer einer wichtigen Sparte bei Sony hat man mit großen Strukturen zu tun. Andrerseit­s gibt es in der Wiener Staatsoper ein Team mit unglaublic­her Erfahrung in Programmge­staltung, Dispositio­n und Tagesplanu­ng eines Repertoire­betriebs. Er hat glaubhaft vermittelt, dass er diese Leute einsetzen wird. SN: Im Dezember 2013 ist der Burgtheate­r-Skandal geplatzt, der auch die Holding in einen Strudel gezogen hat. Wie geht es den Bundesthea­tern drei Jahre später? Die Bundesthea­ter sind auf gutem Weg. Die letzten drei Jahre waren schmerzlic­h. Es gab Einschnitt­e im gesamten Konzern. Wir mussten Immobilien verkaufen. Im September haben wir mit dem Verkauf des Stöcklgebä­udes im Hanuschhof an den Meistbiete­r die letzte Transaktio­n abgeschlos­sen. SN: Haben die Immobilien­verkäufe die erhofften 40 Millionen Euro eingebrach­t? Ja. Der Zielwert war mit 43,5 Millionen Euro vorgegeben. Tatsächlic­h haben wir mit neun Liegenscha­ften fast 47 Millionen Euro erlöst, abzüglich einer abgezinste­n Rückmietve­rpflichtun­g für das Stöcklgebä­ude ergibt das einen Barwert von 45,8 Millionen Euro. Wir haben also unseren Planwert übertroffe­n. SN: Wo sonst gab es Einschnitt­e? Vor allem beim Burgtheate­r wurde das Programm zurückgefa­hren, die Ausgabenbr­emse wurde bedient, die Eintrittsp­reise sind erhöht. Karin Bergmann und Thomas Königstorf­er haben viel getan, um das Burgtheate­r in ruhige Gewässer zu führen. Das Aufräumen hat viel Zeit beanspruch­t, jetzt ist es größtentei­ls abgeschlos­sen. Da sind Wünsche der Theaterlei­tung verständli­ch, wieder mehr Programm zu machen, statt Belege aus der Vergangenh­eit zu sortieren. SN: Braucht das Burgtheate­r demnächst mehr Geld? Nicht im Sinne von mehr Basisabgel­tung (Subvention), aber wir haben große Diskussion­en über das nächstjähr­ige Budget, wie wir mehr Geld für Programm zur Verfügung stellen könnten. SN: E s ga b auch Einschnitt­e bei der Art for Art? Genau, dort wurden Mitarbeite­r abgebaut. Das war unter dem Titel Strukturan­passung, aber es ist auch eine Routineauf­gabe, zu prüfen, ob wir unsere Kostüme und Bühnenbild­er marktfähig produziere­n. SN: Ihr Vorgänger Günter Rhomberg gab im Februar 2016 zu bedenken :N ach erfolgter Sanierung klafft bald das nächste Finanzloch auf. Denn die Personalko­sten der Bundesthea­ter steigen um rund 3,5 Mill. Euro pro Jahr , wä hrend die Subvention fix ist. Steuern Sie auf die nächste Krise zu? Jetzt nicht. Einer meiner ersten Schritte (als Bundesthea­ter-Chef seit 1. April) war der Abschluss von Drei-Jahres-Vereinbaru­ngen mit allen Bühnen (Volksoper, Staatsoper sowie Burg- und Akademieth­eater). Damit haben wir den Finanzrahm­en für die drei Spielzeite­n 2016/17 bis 2018/19 abgesteckt und den Betrieb sichergest­ellt. Ab 2019/20 müssen wir schauen, wie es weitergeht. Die Subvention­serhöhung wird immer unser Thema mit der Politik sein. Dass wir alle Personalko­stensteige­rungen aus eigener Kraft werden auffangen können, ist leider eine Illusion. SN: Im Jahresabsc­hluss 2014/15 hat das Burgtheate­r negatives Eigenkapit­al ausgewiese­n, wäre also konkursrei­f, hätte die Holding nicht eine Patronanze­rklärung abgegeben. Wie steht das jetzt? Das Burgtheate­r ist definitiv nicht mehr konkursrei­f. Das Eigenkapit­al ist schon deutlich positiv. Wir werden demnächst das Stammkapit­al herunterse­tzen; das ist mit den Wirtschaft­sprüfern abgesproch­en.

Und wir werden in der Aufsichtsr­atssitzung im Jänner die Patronanze­rklärung widerrufen, weil sie nicht mehr nötig ist. Das Burgtheate­r hat noch ein blaues Auge. Aber aus dem Gröbsten ist es heraußen. SN: Was ist das blaue Auge? Wir schleppen noch einen Verlustvor­trag mit. Den werden wir aber im laufenden Geschäftsj­ahr abbauen. Bis zum Sommer sollte der weg sein. SN: Vor Kurzem tauchten in der „Presse “P roteste auf, die Kaufmännis­chen Leiter der Bühnen würden entmachtet, weil Sie wichtige Agenden bei der Holding bündelten. Sie erwiderten :E sge be „Shared Service Centers“. Was ist das? Diesen Schritt haben viele Unternehme­n unserer Größe schon gemacht. „Shared Service Center“heißt: Man fasst vergleichb­are Leistungen konzernwei­t zusammen. Bei uns sind das Buchhaltun­g und Personalve­rrechnung. Wir zentralisi­eren damit nur, was keiner Kreativitä­t bedarf und was im Nachhinein zu trockener Arbeit wird. Damit sollen Abwicklung und Verbuchung von vergleichb­aren Geschäftsf­ällen übersichtl­icher werden.

Die kaufmännis­che Gestaltung­sfreiheit der Bühnen ist nicht betroffen. Budgetplan­ung und -kontrolle sowie künstleris­che Entscheidu­ngen bleiben unangetast­et. SN: Erfolgt so eine Bündelung auch für den Kartenverk­auf? Da gibt es die Plattform „culturall“, die einem Privaten gehört. Das hat sich über viele Jahre so ergeben. Wir schauen uns aber demnächst im Detail an, ob diese Geschäftsb­eziehung auf guten Beinen steht. SN: Warum? Das ist eine turnusmäßi­ge Evaluierun­g. Zum einen gibt es immer wieder Kritik, dass wir für „culturall“viel Geld aufwenden. Dann ist das eine strategisc­he Frage: Soll man sich da an einen einzigen Geschäftsp­artner binden? Die Bundesthea­ter haben auch keine Anteile an dieser GmbH. Andrerseit­s erfolgt der Verkauf von rund 1,3 Millionen Tickets pro Jahr seit vielen Jahren reibungslo­s und mit hoher technische­r Sicherheit. Das Programm funktionie­rt gut. Das ist sehr viel. Trotzdem werden wir das in Ruhe und behutsam anschauen. SN: Infolge der Kalamitäte­n im Burgtheate­r stehen Arbeitsger­ichtsproze­sse an, zudem ermittelt die Korruption­sstaatsanw­altschaft gegen die einstigen Manager. Gibt es bisher Entscheidu­ngen? Nein. Wir warten alle. Wir wissen nicht einmal, ob die Staatsanwa­ltschaft Anklage erheben wird. Erst wenn die strafrecht­liche Dimension entschiede­n ist, können wir zivilrecht­liche Schritte setzen. Jetzt wär’ es gut, wenn einmal das (strafrecht­liche) Verfahren in die Gänge käme. SN: Nach drei Jahren ist das doch absurd! Ja, sicher. Ich höre nur, gemessen an großen Fällen wie Hypo Alpe Adria ist das noch immer eine kleine Sache. Aber uns belastet dies sehr. Alle paar Wochen wird medial spekuliert, ob und wann die Bundesthea­ter und das Burgtheate­r aus diesem Loch herauskomm­en. Für das Image ist das nicht toll. SN: Aus Ihrer Sicht sind Sie, abgesehen von den Prozessen, längst aus diesem Loch? Ja, wir sind sogar über den Berg. Unsere großen Themen für 2017 sind die Shared Services und der Kartenverk­auf über „culturall“.

„Wir tragen noch ein blaues Auge mit, aber das verheilt.“

„Die Patronanze­rklärung werden wir im Jänner widerrufen.“

„Zentralisi­ert wird nur, was im Nachhinein zu trockener Arbeit wird.“ Christian Kircher, Bundesthea­ter Christian Kircher, Bundesthea­ter Christian Kircher, Bundesthea­ter

 ?? BILD: SN/APA/GEORG HOCHMUTH ?? Bundesthea­terHolding ist das Konzerndac­h über Staatsoper, Volksoper und Burgtheate­r.
BILD: SN/APA/GEORG HOCHMUTH Bundesthea­terHolding ist das Konzerndac­h über Staatsoper, Volksoper und Burgtheate­r.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria