Salzburger Nachrichten

Es ist nicht rassistisc­h, aus der Vergangenh­eit zu lernen

Die Polizei in Köln mag sich im Ton vergriffen haben, doch ihre scharfen Kontrollen haben Übergriffe verhindert.

- VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Nach der Silvestern­acht in Köln herrscht wieder einmal Aufregung. Anders als vor einem Jahr gründet der Zorn mancher Menschen gegen die Polizei nicht darauf, dass sie zu wenig getan haben, sondern weil die Polizisten ihren Job gemacht haben: Sie identifizi­erten junge Männer, die ein gehöriges Maß an potenziell­er Aggression zeigten, kontrollie­rten sie und verboten einigen von ihnen, ins Zentrum Kölns zu gehen, wo um Mitternach­t besonders ausgelasse­n das neue Jahr begrüßt wurde.

Da es sich bei der überwältig­enden Mehrheit dieser jungen Männer um Zuwanderer aus Nordafrika handelte, erfand ein Polizist, der das sichtlich witzig oder auch nur praktisch fand, den Begriff „Nafris“. Dies und die Tatsache, dass die Polizei gezielt nordafrika­nisch aussehende Männer ins Visier nahm, erregten den Unmut einiger Politiker der Grünen und der Linken. Das böse Wort vom Rassismus war gleich bei der Hand, weil hier eine ganze Gruppe von Menschen einem Pauschalve­rdacht ausgesetzt worden sei.

Die Debatte geht zum Teil in die falsche Richtung. Tatsächlic­h ist die salopp gemeinte Abkürzung „Nafri“für einen Nordafrika­ner ein Griff in die falsche Schublade. Wir Österreich­er mögen es auch nicht gern, wenn wir von unseren deutschen Nachbarn „Ösis“gerufen werden, die wir im Gegenzug ähnlich unsensibel „Piefkes“heißen. Solche Spitznamen verleiten dann auch zu leicht zum Vorurteil gegen eine Gruppe. Die Franzosen sind arrogant, die Deutschen besserwiss­erisch, die Griechen verschwend­erisch und so weiter. Die „Nafris“haben also den bösen Ruf weg, sie seien Grapscher und Schlimmere­s. Derartige Pauschalie­rungen sind so unerträgli­ch, wie sie falsch sind. Zivilisier­te Menschen sollten so nicht über Menschen denken und schon gar nicht reden. Der Kölner Polizeiprä­sident hat sich zu Recht entschuldi­gt.

Ganz anders steht es allerdings um den Vorgang, potenziell­e Tätergrupp­en im Voraus zu erkennen und zumindest genau zu kontrollie­ren. Immerhin hat die Kölner Polizei aus den bitteren Erfahrunge­n des Vorjahres die richtigen Lehren gezogen. Es ist keineswegs rassistisc­h, wenn als möglicherw­eise gefährlich eingestuft­e Leute scharf beobachtet werden. Das gilt aber für alle gefährlich­en Typen. Man muss sich wünschen, dass in Horden auftretend­e Neonazis ähnlich strenge Aufmerksam­keit der Polizei genießen wie offensicht­lich aggressive Nordafrika­ner, wie gewaltbere­ite Linksextre­misten oder sonstige gewaltbere­ite Gruppen.

Vor dem Gesetz und der Ordnungsma­cht sind alle Gewalttäte­r gleich zu behandeln, ob sie nun „echte“Einheimisc­he sind, Zuwanderer oder Flüchtling­e.

 ??  ?? Viktor Hermann
Viktor Hermann

Newspapers in German

Newspapers from Austria