An Junckers Wandel vom Saulus zum Paulus gibt es Zweifel
Der Präsident der EU-Kommission kämpft gegen Steuervermeidung, die in seinem Heimatland wilde Blüten trieb.
Luxemburg, die europäische Steueroase, und ihr ehemaliger Premier und Finanzminister Jean-Claude Juncker als einer ihrer Architekten. Dieses Bild hatte sich nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt Junckers als EU-Kommissionspräsident 2014 verfestigt, als mit den LuxLeaks die Steuerdeals von multinationalen Konzernen mit dem kleinen EU-Land publik wurden. Diese Woche kamen neue Vorwürfe dazu.
Wie die britische Tageszeitung „The Guardian“berichtet, soll Luxemburg in einer Brüsseler Arbeitsgruppe den Kampf gegen Steuervermeidung aktiv blockiert haben, als Juncker noch Premierminister war. Die Code-of-Conduct-Gruppe, die sich mit einem Art Verhaltenskodex in Sachen Steuerpolitik befasst, stieß demnach dank des Widerstands aus dem Großherzogtum regelmäßig an ihre Grenzen – die ohnehin sehr eng sind.
Die 1998 ins Leben gerufene Arbeitsgruppe kann keine rechtlich bindenden Regeln aufstellen. Sie basiert allerdings auf dem Bekenntnis aller EU-Länder, Praktiken zu vermeiden, die zu einem schädlichen Steuerwettbewerb in der EU führen. Angedacht war dazu etwa, dass die Länder jene Steuerdeals, die sie mit multinationalen Unternehmen geschlossen haben, prüfen lassen. In der Gruppe soll laut „The Guardian“auch vorgeschlagen worden sein, die Taktiken der Konzerne zu untersuchen, mit denen sie innerhalb der EU Steuern vermeiden.
Gescheitert seien solche Pläne am Widerstand von „wenigen der kleinsten EU-Mitgliedsstaaten, oft angeführt von Luxemburg“, wie die Zeitung berichtet. Explizit erwähnt werden außer dem Großherzogtum nur die Niederlande.
Von den Linken im Europaparlament kamen nach den Enthüllungen sofort Rufe nach Rücktritt. „Juncker sollte den Jahreswechsel für gute Vorsätze nutzen und Europa einen Dienst erweisen: Er muss abtreten“, meint etwa der deutsche Abgeordnete Fabio De Masi.
In der EU-Kommission zeigte man sich vor allem verärgert über die Berichte. Es sei eben Anfang Jänner und die Leute müssten Geschichten schreiben, so tat ein Sprecher der EU-Kommission gestern, Dienstag, die Enthüllungen als „aufgewärmt“ab. Auch inhaltlich wollte er die Vorwürfe nicht gelten lassen. Juncker sei in der Sache immer sehr transparent gewesen und habe bereits in seinem Wahlkampf vor den Europawahlen den Kampf gegen die Steuervermeidung angekündigt.
Tatsächlich hat sich Junckers Position mit seinem Amtsantritt zwangsläufig geändert. Als Präsident der EU-Kommission ist er für die Interessen der gesamten Union zuständig, nicht nur für die seines Heimatlandes. Das kritische und öffentlichkeitswirksame Thema der Steuervermeidung dabei auszusparen, konnte sich der Luxemburger schlichtweg nicht leisten.
Ob Juncker der richtige Mann für diese Sache ist, daran gibt es anhaltende Zweifel. Eine aktive Blockadehaltung beim Kampf gegen Steuervermeidung kann man ihm jedenfalls aber nicht vorwerfen. Auch nicht, was Anweisungen an seine Kommissare betrifft. Freie Hand haben sowohl Margrethe Vestager, die vor Großkonzernen wie Apple oder Google bekanntlich nicht zurückschreckt, als auch Pierre Moscovici, der für die neuen Gesetze zuständig ist, die unfairen Steuerwettbewerb künftig eindämmen sollen. Das jüngste trat am 1. Jänner in Kraft und verpflichtet die Länder zum automatischen Informationsaustausch über Steuerdeals.