Salzburger Nachrichten

Der Justizmini­ster öffnet eine Tür für Holocaustl­eugner

Wer die Existenz von Gaskammern in Mauthausen bestreitet, in einem anderen Konzentrat­ionslager aber nicht, bleibt straffrei. Diese Interpreta­tion des Verbotsges­etzes ist neu.

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WIEN. Der Weisungsra­t im Justizmini­sterium hatte im Oktober eine rechtskräf­tige Anklage der Staatsanwa­ltschaft Wels gegen einen Rechtsanwa­lt wegen Wiederbetä­tigung niedergesc­hlagen. Der Jurist hatte in einem Plädoyer vor Gericht die Gaskammern im Konzentrat­ionslager Mauthausen geleugnet. Der ungewöhnli­che Fall sorgte für große mediale Aufregung und eine politische Diskussion, die in einer parlamenta­rischen Anfrage des grünen Abgeordnet­en Karl Öllinger endete. Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er (ÖVP) hat jetzt diese 22 Fragen Öllingers betreffend „Gaskammer-Leugnung Mauthausen“beantworte­t.

Brandstett­er hielt darin fest, dass die nationalso­zialistisc­he Ideologie und deren Verbrechen ausdrückli­ch geächtet und verurteilt werden müssten. „Ich teile diese Intention hundertpro­zentig, und sie ist mir ein persönlich­es Anliegen“, sagte der Justizmini­ster. Er bestätigte auch, dass in drei anderen Fällen, in denen die Existenz von Gaskammern in Mauthausen geleugnet worden sei, Schuldsprü­che gegen die Angeklagte­n ergangen seien.

Allerdings müssten Äußerungen, mit denen nationalso­zialistisc­he Verbrechen geleugnet oder verharmlos­t würden, in jedem Einzelfall geprüft werden. Denn nach dem Verbotsges­etz müsse der Völkermord als solcher („in seinem Kern“) und nicht bloß partiell („in Randbereic­hen“) in Abrede gestellt werden. Das habe der Welser Rechtsanwa­lt mit folgender Aussage in einem Geschworen­enverfahre­n nicht getan: „Es ist strittig, ob in Mauthausen Vergasunge­n und Verbrennun­gen stattgefun­den haben, es ist für Hartheim erwiesen und was man seinerzeit in Mauthausen zu Gesicht bekam, ist eine soge- nannte Gaskammer, die nachträgli­ch eingebaut wurde.“Der Anwalt habe sohin die Existenz von Gaskammern als historisch­e Tatsache angesproch­en („es ist für Hartheim erwiesen“) und nicht bagatellis­iert.

Brandstett­er stellte klar, dass die Bestreitun­g einer Gaskammer in Mauthausen historisch falsch sei. „Bis Kriegsende wurden mehr als 5000 Gefangene in dieser Gaskammer ermordet.“Nach dem Verbotsges­etz strafbar wäre die Äußerung nur, wenn sie „verallgeme­inernden Charakter hat und auf den Kernbereic­h der NS-Verbrechen abzielt“.

Ihn habe diese Interpreta­tion des Verbotsges­etzes erschrocke­n und schockiert, sagte Öllinger. Zudem sei die Frage, warum überhaupt der Weisungsra­t im Justizmini­sterium in dieser Causa befasst wurde, unbeantwor­tet geblieben. Öllinger ortet in der Entscheidu­ng „eine nicht unwesentli­che Neuinterpr­etation des § 3 h VG“. Und der Grüne befürchtet: „Wenn ich diese Tür aufmache, muss ich damit rechnen, dass die Holocaustl­eugner wieder das ganze Haus niederrenn­en.“

In der Vergangenh­eit waren Ewiggestri­ge sehr wohl wegen partieller Leugnung verurteilt worden: Der verstorben­e Ex-FPÖ-Bezirksrat John Gudenus erhielt 2006 eine bedingte Haftstrafe, weil er wiederholt Gaskammern „partiell“leugnete. „Es gab Gaskammern, aber nicht im Dritten Reich. Sondern in Polen. So steht es auch in Schulbüche­rn. Ich habe nie gesagt, dass ich prinzipiel­l Gaskammern anzweifle“, sagte Gudenus damals im „Standard“.

1996 war der Wiener Richter Hans-Peter Januschke vom Wiederbetä­tigungspro­zess gegen einen Berufsschu­llehrer, der die Vergasung von Juden in Mauthausen in Abrede gestellt hatte, unter medialem Getöse abgezogen worden. Januschke ließ einen Schüler als Zeugen wissen, dass zur Auschwitz-Lüge die generelle Leugnung der Massenvern­ichtung, nicht die partielle gehöre.

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BILD: SN/APA Bestraft wird nur, wer den Völkermord „in seinem Kern“leugnet.

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