Sozialbericht schlägt Steuer für Erben vor
Die Ausgaben für den Sozialstaat steigen weiter. Sofort erschallt der Ruf nach neuen Abgaben.
Kaum ist der neue Regierungspakt unterschrieben, erschallt aus dem Sozialministerium der Ruf nach einer Steuer, die nicht in dem Übereinkommen steht: nach der Wiedereinführung der Erbschaftssteuer beziehungsweise der Einführung einer Steuer auf Vermögensübertragungen.
Die Forderung findet sich im eben fertiggestellten Sozialbericht, erstellt in dem von Alois Stöger (SPÖ) geführten Sozialressort.
Aus dem Bericht geht hervor, dass die Sozialquote laufend steigt, also Jahr für Jahr ein wachsender Anteil der gesamten Wirtschaftsleistung in den Wohlfahrtsstaat fließt. 2015 wurden bereits 102,5 Milliarden Euro ausgegeben (2014: 99,2 Mrd. Euro), das waren 30,2 Prozent des BIP (2014: 30 Prozent). Dabei begann die Flüchtlingskrise erst im Herbst 2015. Ihre Bewältigung, die sich freilich nicht nur auf das Sozialressort beschränkt, wird noch viele Jahre dauern. Treibende Kraft für die steigende Sozialquote ist die Demografie. Der Anteil der Bevölkerung im Alter 65 plus wird in den kommenden Jahren stark zulegen, was höhere Ausgaben (Pensionen, Gesundheit) zur Folge haben wird.
Unumwunden wird im Sozialbericht nach neuen Geldquellen und einer staatlichen Umverteilungspolitik gerufen, zumal die Einkommen und Vermögen in Österreich „extrem ungleich“verteilt sind, wie betont wird.
WIEN. Die Sozialquote – also der Anteil der Sozialausgaben an der Wirtschaftsleistung – legt weiter zu. Wie aus dem nun vorliegenden Sozialbericht 2015/16 hervorgeht, wurden 2015 insgesamt 102,5 Milliarden Euro für Soziales ausgegeben, bei einem Bruttoinlandsprodukt von 339,9 Milliarden Euro stieg die Sozialquote damit auf 30,2 Prozent. Im Jahr 2014 war sie bei exakt 30 Prozent gelegen (Sozialausgaben: 99,2 Mrd. Euro).
Im Sozialbericht wird davon ausgegangen, dass auch künftig jedes Jahr mehr Geld ins Sozialwesen fließen muss. Aus dem mittleren Szenario, das von einem jährlichen realen BIP-Wachstum von 1,5 Prozent bis 2030 ausgeht, ergibt sich, dass die Sozialquote bis dahin auf 31,9 Prozent steigen wird. Zu einem Teil wohl, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen, Hauptgrund ist aber die Demografie: Bis 2030 wird der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung um 37 Prozent wachsen und jener der Kinder und Jugendlichen um acht Prozent zulegen. Dagegen verringert sich der Anteil der potenziellen Beitragszahler – also der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter – leicht. Das ist deshalb bedeutsam, da sich die Sozialausgaben recht unterschiedlich verteilen. Im Schnitt wurden 2015 für jede Person in Österreich 11.800 Euro für Soziales und Gesundheit ausgegeben. Auf ein Kind/einen Jugendlichen entfielen dabei statistisch gesehen rund 6400 Euro, auf eine Person im erwerbsfähigen Alter 6000 Euro – und 37.800 Euro auf eine Person der Generation 65 plus.
Seit 2008 – dem Jahr, als die Wirtschaftskrise ausbrach – ist die Sozialquote markant gestiegen, damals betrug sie 27,8 Prozent. Indem massiv mehr Geld ins Sozialsystem gepumpt wurde, wurden die Folgen der Krise extrem gemildert. Die Armut und die Armutsgefährdung sind seit 2008 sogar gesunken, auch die Ungleichheit bei den Einkommen hat sich laut Sozialbericht im Gegensatz zum internationalen Trend leicht verringert.
Einkommen und Vermögen seien aber weiter „extrem ungleich“verteilt, weshalb eine staatliche Um- verteilungspolitik Gebot der Stunde sei. Nur 1,4 Prozent des Steueraufkommens stammten 2014 aus vermögensbezogenen Steuern, wird in dem Bericht – erstellt in dem von Alois Stöger (SPÖ) geführten Sozialministerium – gleich in der Einleitung ausgeführt, im OECD-Schnitt seien es 5,5 Prozent gewesen. Gefordert wird deshalb eine Erbschaftssteuer oder eine Steuer auf Vermögensübertragungen – und das rasch, da die Vermögenstransfers via Erbschaften in den kommenden zwei Jahrzehnten stark steigen werden (von 2015 rund 12 Mrd. Euro auf 2035 mehr als 20 Mrd. Euro). Auch bei der Kapitalertragssteuer und der Grundsteuer würde das Sozialministerium gern nachschärfen.
Noch einige Daten aus dem Sozialbericht: Die Zahl der Menschen, die gar keinen Arbeitsplatz mehr finden, nimmt stark zu. Seit 2008 hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen mehr als verdreifacht. Auf dem Arbeitsmarkt würden Frauen weiterhin „systematisch“benachteiligt – sie verdienten 2015 bei gleicher Arbeit im Schnitt um 22,9 Prozent weniger als Männer.