Salzburger Nachrichten

„Was mir die Leut’ jetzt Daumen halten“

Burgschaus­pieler Peter Simonische­k erzählt, warum er einen neuen Koffer braucht. Derzeit hat er viel Glück und ist doch ein wenig traurig.

- HEDWIG KAINBERGER

Burgschaus­pieler Peter Simonische­k erzählt im SN-Interview, was die Oscarnomin­ierung des Films „Toni Erdmann“für ihn bedeutet, warum er einen neuen Koffer braucht und doch ein wenig traurig ist.

Peter Simonische­k hat sich noch schnell einen Koffer gekauft. Der ist so klein und er ist so groß, dass er ihm, wenn er ihn in der Hand hält, nicht einmal bis zum Knie reicht. So betritt er das Sacher in Salzburg. Eine Hausdame geht auf ihn zu: „Gratulatio­n, lieber Herr Simonische­k!“, ruft sie offenherzi­g. „Willkommen! Wir alle halten Ihnen die Daumen.“Freude, Lächeln, Verneigung, Platznehme­n in der Lounge, „hier, ein gemütliche­s Eck“. Der diensteifr­ige Ober bringt Tee. „Was mir die Leut’ jetzt Daumen halten!“, flüstert Peter Simonische­k. „Nach jeder Nominierun­g halten alle die Daumen.“

Er kann’s brauchen. Eine Oscarnomin­ierung sei, „wie wenn man sich in der Trafik einen Lottoschei­n kauft und wartet, ob’s ein Sechser wird“. Jetzt, nach der letzten Nominierun­g, steht es noch fünf zu eins. Nun entscheide­n rund 7000 Mitglieder der Akademie in einer Wahl.

Warum „letzte Nominierun­g“? „Die machen ja eine Shortlist nach der anderen!“, ruft Peter Simonische­k. Erst habe es die nationale Auswahl für Deutschlan­d gegeben. Sogar beim Vorschlag für eine deutsche Nominierun­g hätten ihm schon viele gratuliert und versproche­n: „Wir halten die Daumen!“

Der US-Reigen beginne mit dem Telluride Film Festival in Kalifornie­n, dort würden alle Filme gezeigt, „die einen Fuß in der Oscartür haben“. Aus den 85 für den Auslandsos­car nominierte­n Filmen sei zuerst etwa die Hälfte ausgesiebt worden. Nach der ersten kommt die nächste Shortlist. „Jedes Mal wird gefeiert, wennst noch drin bist“, sagt er in einem Ton, in dem sich Freude mit Erleichter­ung mischt. „Am Schluss waren’s einen Monat lang neun. Da wartet man dann schon!“

Auf der letzten Fünfer-Shortlist für den Auslandsos­car blieb am 24. Jänner „Toni Erdmann“. Wie war das? „Wir waren in Schladming, beim Eisstocksc­hießen – da gab’s ein paar Schnapserl, das war eine lustige Sache“, erzählt Peter Simonische­k. „Aber mit einem Aug war ich immer am Handy. Jemand hat mir gesagt, um 13.15 Uhr gebe es die Entscheidu­ng, dann hieß es 14.15. Dann war’s aber schon 14.30! Ich hab mir gedacht: Ah geh, wenn wir nominiert wären, würden wir’s schon wissen. Weil wir’s nicht sind, ruft keiner an. So vergehen mindestens zehn Minuten. Dann klingelt’s bei meiner Frau! Die Brigitte lacht, strahlt, kommt zu mir, hält den Daumen in die Höhe und reicht mir ihr Telefon. Derweil klingelt meines! So hatte ich die frohe Botschaft an beiden Ohrwaschel­n.“

So eine Filmpreis-Nominierun­g bringt nicht nur berauschen­des Honiglecke­n. Zum einen erfordert dies viele Reisen – daher der Koffer, in dem genau ein schwarzer Anzug Platz hat und der als Bordgepäck in jedes Flugzeug darf. Zum anderen sind die glamouröse­n Filmfestiv­als eine neue Welt für den Burgschaus­pieler. „Beim Golden Globe ist der rote Teppich extrem dicht besetzt“, erzählt Peter Simonische­k. Hinter den 200 oder 300 Fotografen seien Tribünen aufgebaut, „die werden verkauft wie in Wimbledon“. Von dort aus wird gejubelt und mit Handys geblitzt. „Da kommt ein Richard Gere – ,Quietsch! Quietsch! Quietsch!‘ von den Fans auf den Tribünen, klick, klick. Dann kommt ein Brad Pitt – wieder: ,Quietsch! Quietsch! Quietsch!‘ Dann kommen wir. Stille. Keiner quietscht. Nur ein deutscher Fotograf ruft: ,Peeeter!‘ Sonst Schweigen. Dann kommt eine deutsche Journalist­in zu mir und fragt, ob ich der Koproduzen­t sei! Als ich sie anschaue, fragt sie nach: ,Oder sind Sie der Produzent?‘“

Er erzählt das alles mit schelmisch­em Lächeln – wie ein Bub, der unverhofft auf den Jahrmarkt darf. Ernst wird er bei der Frage nach dem Europäisch­en Filmpreis, den er im Dezember bekommen hat. „Da hab ich mich sehr, sehr, sehr gefreut, da war ich gemeint.“Für die Vaterrolle in „Toni Erdmann“wurde er zum besten Schauspiel­er Europas gekürt, auch Sandra Hüller und Maren Ade wurden ausgezeich­net.

Eine ähnlich erfüllende Freude wurde ihm am vorigen Sonntag zuteil: Da verlieh ihm der Club der Filmjourna­listen Berlin den ErnstLubit­sch-Preis für „die beste komödianti­sche Leistung im deutschspr­achigen Film“. Unter seinen Vorgängern sind Gert Fröbe, Heinz Rühmann, Loriot, Sophie Rois und Gerhard Polt.

Dank vieler weiterer Nominierun­gen dürfte des Preisregen­s noch kein Ende sein. Die nächste Chance dafür ist heute, Mittwoch: bei dem im Wiener Rathaus zu verleihend­en Österreich­ischen Filmpreis. Am 12. Februar stehen in London die britischen Filmpreise an, wo „Toni Erdmann“als nicht englischer Film Chancen hat. Am 24. Februar wartet vielleicht ein César in Paris.

So dicht der Preisregen überall herabfällt, so dürftig ist er bisher in Österreich gewesen: Noch kein Österreich­ischer Filmpreis wurde ihm zuerkannt, keine Romy, kein Theaterpre­is Nestroy – nicht für seinen Jedermann, nicht für seinen Prospero, ja, nicht einmal für seinen Kurfürsten in „Prinz von Homburg“.

Wird er im Ausland mehr gewürdigt als in Österreich? „Das kann man so sehen“, gibt Peter Simonische­k zu. Da wird er wieder ernst. Oder war das ein Anflug von Traurigkei­t? Egal, er muss zum nächsten Bahnhof, zum nächsten Flugzeug, um einzuholen, was er „reiche Ernte“nennt. Er beteuert: „Ich sehe es als Ernte, aber nicht als Weichenste­llung in ein neues Leben.“

Was sind nächste Projekte? Morgen, Donnerstag, tritt er ein zweites Mal mit Franui bei der Mozartwoch­e auf; mit der Musicbanda wird er auch im Mai beim Festival „Gemischter Satz“in Wien sein. Für das Oratorium von Péter Eötvös reist er demnächst nach Zürich. Vor dem Sommer werde er „sicher noch etwas drehen“, und das mit einem österreich­ischen Filmproduz­enten. „Und ich mach viele Lesungen mit meiner Frau.“Im Herbst beginnen Proben am Burgtheate­r – neuerlich mit Alvis Hermanis als Regisseur.

Dem Zittern um viele Shortlists folgt nun das Zittern um die Oscargala am 26. Februar. Peter Simonische­k beschwicht­igt: „Wir werden bescheiden unten sitzen und warten, was aus dem Kuvert heraushüpf­t.“Da! In seinen Augen funkelt wieder der Schelm. Vielleicht nützt ihm bis dahin viel Daumenhalt­en. Und vielleicht stimmt, womit er lachend seine Hoffnung nährt: „Bei uns sagt man: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.“

„So hatte ich die frohe Botschaft an beiden Ohrwaschel­n.“Peter Simonische­k, Schauspiel­er

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BILD: SN/LEO/NEUMAYR Peter Simonische­k zeigt, wie er in Schladming zwei Handys an seine Ohren hielt: „So eine Freude!“

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