Salzburger Nachrichten

Ein Angriff von rechts

Er soll sich für Marine Le Pen begeistern und an die Vorherrsch­aft weißer Menschen glauben: Langsam kommen Details über den Täter von Québec ans Licht.

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Kanada gilt gemeinhin als friedliche­s, weltoffene­s Land. Umso geschockte­r sind viele Kanadier, dass ausgerechn­et einer ihrer eigenen Landsleute für den blutigen Anschlag auf die Moschee in Québec verantwort­lich sein soll, bei dem am vergangene­n Sonntag sechs betende Muslime erschossen und mehrere zum Teil lebensgefä­hrlich verletzt wurden.

Die Justizbehö­rden in Québec halten den frankokana­dischen Studenten Alexandre B. für den Attentäter. Sie werfen dem 27-Jährigen sechsfache­n Mord und versuchten Mord in fünf Fällen vor. Weitere Anklagepun­kte wegen Terrorismu­s und Gefährdung der nationalen Sicherheit werden laut Staatsanwa­ltschaft noch geprüft.

Zum Tatmotiv hat sich die Polizei noch nicht konkret geäußert, sie geht aber davon aus, dass der Täter als Einzeltäte­r handelte. Ein zunächst ebenfalls festgenomm­ener Mann mit nordafrika­nischem Hintergrun­d wurde wieder freigelass­en und wird seither als Zeuge eingestuft.

Noch weiß man in Kanada nicht viel über den mutmaßlich­en Täter. Einiges spricht dafür, dass er sich schon länger mit rechtsextr­emem Gedankengu­t beschäftig­t hat und Flüchtling­e aus muslimisch­en Ländern kritisch sah. Das legen jedenfalls Bekannte und Kommiliton­en des Studenten nahe, der an der Laval-Universitä­t in Québec Politik und Anthropolo­gie studierte. Laut der kanadische­n Zeitung „Globe and Mail“soll sich Alexandre B. mehrmals anerkennen­d über die Parteichef­in der rechtspopu­listischen Front National aus Frankreich, Marine Le Pen, geäußert haben, nachdem diese Québec besucht hatte. Zudem galt er als Anhänger des neuen US-Präsidente­n Donald Trump, weswegen er regelmäßig mit anderen Studierend­en in Streit geriet. In Kanada hält man es für möglich, dass sich der Student womöglich durch Trumps islamkriti­sche Parolen zur Tat ermutigt gefühlt hat. Von 2002 bis 2004 hatte er am Kadettenpr­ogramm des kanadische­n Militärs teilgenomm­en, einer Art Jugendprog­ramm für Soldaten. Ein Nachbar berichtete dem Sender NBC, dass Alexandre B. im Garten seines Wohnblocks mit Waffen hantiert und sich brutale Videos angesehen habe. Bekannte beschriebe­n den mutmaßlich­en Attentäter als ruhigen Einzelgäng­er, der zurückgezo­gen lebte und der in seiner Jugend wegen seiner dünnen Statur, seiner unmodische­n Kleidung und seines blassen Aussehens immer wieder von Klassenkam­eraden gehänselt worden sei. Bei der ersten Anhörung im Gerichtssa­al von Québec am Montag blieb Alexandre B. stumm und senkte sein Haupt, als die Anklagepun­kte gegen ihn verlesen wurden. Premiermin­ister Trudeau rief nach einer Schweigemi­nute im Unterhaus in Ottawa alle Kanadier zur Solidaritä­t mit den Muslimen Kanadas auf.

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