Ein junges Barockorchester kann aus dem Vollen schöpfen
Die Geigerin Midori Seiler will „Forschergeist“wecken und ist überzeugt, dass Klassik nicht „den Bach runtergeht“.
Das Institut für Alte Musik an der Kunstuniversität Mozarteum hat sich in zwölf Jahren einen internationalen (Ausbildungs-)Spitzenplatz erobert. Unter der Leitung der Weltklasse-Blockflötistin Dorothee Oberlinger versammeln sich im Lehrkörper Kapazitäten des jeweiligen Fachs, die es attraktiv machen, in Salzburg Unterricht zu nehmen – auch wenn sich nach Ansicht der Barockgeigerin Midori Seiler der Bekanntheitsgrad noch steigern sollte. Das hat auch mit regionalen Spezifika zu tun: Franzosen gingen eben gern in ihr Mekka Basel, Deutsche mit Vorliebe nach Holland.
Gleichwohl: Die institutseigenen Projekte sichern der Arbeit vor Ort kontinuierliche Aufmerksamkeit, und wenn gestern, Dienstag, das Alte-Musik-Orchester des Hauses seinen ersten Auftritt bei der Salzburger Mozartwoche absolvierte, ist das die konsequente Bestätigung der aufbauenden Arbeit. „Wir haben am Haus jetzt alle nötigen Instrumente für die historische Aufführungspraxis, sodass es seit diesem Jahr gut möglich ist, auch große Orchestermusik auf alten Instrumenten und in der entsprechenden Stimmung (430 Hertz, Anm.) zu spielen“, sagt Midori Seiler, die das Konzert vorbereitete und leitete.
Der besondere Anreiz, vor eine internationale Öffentlichkeit zu treten, beflügelt Studenten wie Dozenten. „Hier weiß ich“, sagt Seiler, „dass die Leute unbedingt an der Musik arbeiten, etwas Spezifisches lernen und realisieren wollen. Da geht es nicht um irgendwelche Befindlichkeiten, sondern man merkt, wie sehr das den jungen Musikern ein persönliches Anliegen ist.“
Zum Herzblut kommt Entdeckerfreude, die nicht nur bei unbekannteren Werken groß sein sollte. „Ich finde wichtig, auch die bekannten Pfade so zu begehen, dass man immer wieder neue Dinge selbst entdecken kann.“In diesem Sinn ist es Midori Seiler wichtig, „dass man in jedem Einzelnen den Forschergeist weckt“.
Möglichst farbige Besetzungen waren die dramaturgische Klammer des Konzerts mit Werken von Mozart und Joseph Haydn im Großen Saal des Mozarteums. „Wir spielen ein Stück nur für Streicher, eines mit Flöten und Hörnern als reizvoller Kombination, ein kleines Andante im Serenadencharakter und eine große, auch solistisch herausfordernde Haydn-Symphonie.“Zudem sollten drei Werke in C-Dur zeigen, welche verschiedenen Aspekte dieser Tonart innewohnen.
Das ist dem Ohrenschein nach superb gelungen. Man spürte eine Leidenschaft des Ausdrucks in allen Stücken, die in sich vielfältig abgestuft und klanglich mit delikaten Facetten getönt waren.
Im Stehen (bis auf die Celli) musiziert, herrschten ein animierendes und animiertes Atmen, eine subtile dynamische Energie und Leuchtkraft, die insbesondere die zarten Schwebungen etwa des langsamen Satzes des C-Dur-Violinkonzerts von Haydn oder den Adagio-Gesang im Adagio der Symphonie „Le midi“zu kleinen Preziosen machten. Leichte Piani und organisch platzierte (Bläser-)Akzente öffneten das Spektrum markant und führten zu einem jederzeit plastischen Musizieren. Das ist deutlich mehr als bloß ein „Anfang“.
Midori Seiler möchte ihre Studenten gern zukunftsfit machen: Sie wünscht sich dafür die nötige Flexibilität, um auf Herausforderungen zu reagieren, die aktuell die Institution des Orchesters einem permanenten Wandel ausliefern: Orchester werden verkleinert, fusioniert oder im schlechtesten Fall aufgelöst. Da gelte es, mit kreativen Ideen gegenzusteuern, und dafür sei gerade der Bereich der Alten Musik gut gerüstet, um neue Zugänge zu schaffen und Alternativen zu bisherigen, tradierten Systemen anzubieten.
„Auch wenn ich nicht weiß, wie der Weg in die Zukunft ausschaut“, so gibt sich Seiler optimistisch: „Ich vertraue auf das Finden neuer Wege und glaube an die Jungen: Sie haben so viele originelle Ideen.“
„Die jungen Musiker haben so viele originelle Ideen.“
Midori Seiler, Barockgeigerin