Jeder zweite Lenker liest E-Mails
Warum Ablenkung mittlerweile die häufigste Todesursache im Straßenverkehr ist.
WIEN. Nicht mehr Alkohol oder Rasen sind die häufigsten Todesursachen im Straßenverkehr. 2016 starben auf heimischen Straßen und Autobahnen 130 Menschen durch Ablenkung. Das ist fast ein Drittel aller Verkehrstoten in Österreich. Eine Studie der Allianz-Versicherung hat nun die größten Gefahrenquellen unter die Lupe genommen und dabei besorgniserregende Daten erhoben: Jeden Tag werden hierzulande 200.000 SMS verschickt und 900.000 Telefonate geführt – während der Autofahrt. Handy, Bordcomputer und Navigationsgeräte tragen laut Verkehrssicher-heitsforscher Jörg Kubitzki die Hauptschuld an den wachsenden Unfallzahlen durch Ablenkung (rund 13.000 pro Jahr). 30 Prozent der 1600 Befragten gaben an, während der Fahrt ihre Smartphones auf den Eingang von E-Mails zu überprüfen. Bei Autofahrern unter 24 Jahren beträgt der Anteil sogar 50 Prozent. 86 Prozent fanden, dass durch Fahrzeug- oder Musikabspieltechnik ihre Konzentration beim Fahren gelitten hat.
Doch auch abseits von HightechGeräten in Sicht- und Griffweite des Lenkers gibt es genügend Ablenkungsfaktoren. Für Kubitzki ist klar: Selbst das Telefonieren mit Freisprechanlage kann mitunter lebensgefährlich sein. Es zählt ebenso zur „mentalen Ablenkung“wie Essen, Trinken und Diskutieren. Soll heißen: Der Blick ist zwar auf die Fahrbahn gerichtet, mit seinen Gedanken ist man aber woanders. Übrigens: Bei drei Viertel aller ablenkungsbedingten Unfälle saßen Männer am Steuer.
„Autofahren wird heutzutage unterschätzt, weil es immer weniger zu tun gibt. Der Komfort fördert die Langeweile und diese steigert das Gefahrenpotenzial“, sagt ÖAMTCVerkehrspsychologin Marion Seidenberger. Durch all die Technik, die rund um den Lenker blinkt und piepst, gebe es „kaum noch Sicherheitsreserven“. Seidenberger plädiert deshalb für mehr Polizeipräsenz auf Straßen und Autobahnen: „Aufgehalten zu werden fördert den Verhaltenswandel der Lenker viel mehr als ein Organmandat mit Zahlschein.“
Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) verweist auf das seit Juni 2016 verschärfte Kraftfahrgesetz. „Auch das Tippen von SMS und das Surfen im Internet sind jetzt strafbar. Zusätzlich gilt der Fotobeweis. Denn die beste Regel hilft nicht, wenn man sie nicht kontrollieren kann. Mit der Verlängerung der Probezeit auf drei Jahre setzen wir speziell bei den Jungen an.“