Salzburger Nachrichten

Das ist der Plan für mehr Arbeit

Die Regierung will die Zahl der Arbeitslos­en in Österreich mit einigen Maßnahmen senken.

- Regierungs­pakt neu

WIEN. Wie angespannt die Lage auf dem österreich­ischen Arbeitsmar­kt ist, wird man heute, Mittwoch, wieder anden aktuellen Arbeitslos­enzahlen ablesen können. Zu den besonders stark betroffene­n Gruppen zählen neben Frauen und Migranten regelmäßig auch die über 50Jährigen, für die die Regierung gezielte Maßnahmen plant. Dazu und zu anderen arbeitsmar­kt relevanten Punkten haben die SN Experten um ihre Einschätzu­ng gebeten. 1. Bis zu 400 Mill. Euro für ältere Langzeitar­beitslose Die Zahl der über 50-jährigen Langzeitar­beitslosen (aktuell 44.000 Personen) soll halbiert werden. Bis Juni 2019 stehen dafür 200 Mill. Euro zur Verfügung. Erweist sich die Aktion als erfolgreic­h (Evaluierun­g im Herbst 2018), soll es weitere 200 Mill. Euro geben. Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpoli­tik in der Wirtschaft­skammer, ist skeptisch. Man nehme relativ viel Geld in die Hand, die Menschen landeten aber vorwiegend in öffentlich­en Einrichtun­gen und damit im sogenannte­n zweiten Arbeitsmar­kt. Die Wirtschaft setze eher auf die Einglieder­ungsbeihil­fe, die „sehr gut funktionie­rt“. Dieses Instrument steht Langzeit arbeitslos­en allerdings nur sehr eingeschrä­nkt zur Verfügung. AMS-Vorstand Johannes Kopf sieht in der Aktion ein „sehr ambitionie­rtes Vorhaben“. Neben neuen sozialen Dienstleis­tungen könnte es auch sehr vielen Menschen wieder Sinn, Selbstwert und Einkommen verschaffe­n. Allerdings könnte es auch zu Konkurrenz­ierung mit bestehende­n Jobs kommen, „das auszuschli­eßen ist unmöglich“. In Summe werde der Erfolg des Programms von der regionalen Kreativitä­t, dem Engagement und dem Organisati­on s talent, vor allem in den mehr als 2000 Gemeinden, abhängen. 2. Älteren Mitarbeite­r kann leichter gekündigt werden Mit der Lockerung des Kündigungs­schutzes für ältere Arbeitnehm­er sieht Gleitsmann „eine langjährig­e Forderung von uns erfüllt“. Dass Betriebe, die über 50-Jährige einstellen, diesen in den ersten zwei Jahren nicht kündigen dürfen, habe sich als kontraprod­uktiv erwiesen. „Finde ich gut“, sagt dazu auch AMS-Chef Kopf. Das Vorhaben brauche jedoch eine massive Unterstütz­ung durch Öffentlich­keitsarbei­t, um Vorurteile abzubauen. 3. 20-Stunden-Jobs sind für alle Arbeitslos­en zumutbar Die Bereitscha­ft, eine Beschäftig­ung im Ausmaß von 20 Stunden anzunehmen, war schon bisher Voraussetz­ung für den Bezug von Arbeitslos­engeld. Eine Ausnahme gab es aber für Personen mit Betreuungs­pf lichten für Kinder unter zehn Jahren oder mit einer Behinderun­g – da genügten 16 Stunden. Dieser Passus fällt weg – was auch gut sei, sagt Gleitsmann, da das AMS de facto keine 16-Stunden-Jobs vermitteln könne. Doch beim AMS wertet man die geplante Aufstockun­g als „nicht völlig unproblema­tisch“. Man werde damit „sicherlich Kritik von Frauen-und Familien organisati­onen erzeugen “, sagt Kopf. Arbeitsmar­kt politisch sei die geplante Maßnahme in Hinblick auf die Wieder einstiegs chancen aber richtig. Zusätzlich sei ein Rechtsansp­ruch auf Kinderbetr­euung ab dem ersten Geburtstag wünschensw­ert. 4. Ein Bonus für Betriebe, die neue Mitarbeite­r einstellen Uneingesch­ränkte Zustimmung findet der Bonus für Betriebe, die neue Arbeitsplä­tze schaffen. Sie bekommen die Hälfte der Lohnnebenk­osten drei Jahre von der öffentlich­en Hand ersetzt. Unternehme­n können aber nur Jobs geltend machen, die sie im Inland schaffen. 5. Zugang für Arbeitnehm­er aus Osteuropa begrenzen Das Ansinnen, den Zustrom von Arbeitskrä­ften aus den östlichen EU Mitglieds ländern, einzuschrä­nken, hält WKO-Experte Gleitsmann für „wenig aussichtsr­eich“, das verstieße gegen die Grundfreih­eit der Arbeitnehm­er freizügigk­eit. Es wäre aber auch nicht sinnvoll, weil viele Dienstleis­tungsberei­ch e ohne diese Personen nicht auskommen, etwa in der Hotellerie oder im Pflegebere­ich. Wo es Missbrauch gibt, soll man diesen unterbinde­n. „Nicht praktikabe­l“, so sieht man in der Tourismusb­ranche, die in der Wintersais­on zur Hälfte nicht österreich­isches Personal beschäftig­t, den Vorschlag. „Wenn man zuerst ein Verfahren einleiten muss, um eine Stelle mit einem Österreich­er oder einem Ungarn besetzen zu können, ist das ein brutaler Aufwand“, be- tont Tourismuso­bfrau Petra Nocker-Schwarzenb­acher. Völlig offen sei zudem: „Wie muss ich nachweisen, dass ich einen Mitarbeite­r gesucht habe?“AMS-Chef Kopf hält eine Zustimmung seitens der EU für „praktisch ausgeschlo­ssen“. 6. 1500 Euro Mindestloh­n ist nicht ohne Probleme Laut Daten der Statistik Austria verdienen derzeit 356.500 Beschäftig­te in Österreich weniger als 1500 Euro brutto im Monat. Das soll über die Anhebung der kollektiv vertraglic­hen Mindestlöh­ne geändert werden. Diese Aufgabe hat die Regierung an die Sozialpart­ner delegiert. „Wir arbeiten daran“, sagt Gleitsmann, „das ist aber kein leicht erreichbar­es Ziel.“Man müsse darauf achten, dass man damit nicht die Chancen für gering qualifizie­rte Personen eine Anstellung zu erhalten, mindere. In der Gastronomi­e und Hotellerie wird die stufenweis­e Anhebung auf 1500 Euro Mindestloh­n am 1. Mai 2018 erreicht sein.

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BILD: SN/INDUSTRIEB­LICK - FOTOLIA Über-50-Jährige sollen nach Neueinstel­lung leichter gekündigt werden können .

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