Salzburger Nachrichten

Das Dilemma mit dem Burkaverbo­t

Die Polizei soll voll verschleie­rte Frauen bald strafen, um Integratio­n zu fördern. Das Verbot trifft aber vor allem arabische Touristinn­en.

- Regierungs­pakt Neu

Wird das neue Regierungs­programm der Koalition rasch umgesetzt, soll die Polizei künftig voll verschleie­rte Frauen bestrafen, um die Integratio­n zu fördern. Das Verbot wird aber vor allem arabische Touristinn­en treffen.

WIEN. Zell am See ist für arabische Touristen längst zu einem Mekka der Erholung geworden. Dort gibt es alles, was es daheim nicht gibt: saftig grüne Bergwiesen, moderate Temperatur­en, Regen im Sommer, ja selbst ewiges Eis, wenn man ein paar Höhenmeter macht und auf den Gletscher fährt. In den Sommermona­ten ändert sich auf einen Schlag das Stadtbild: orientalis­ches Flair in den Gassen, am See, auf der Alm. Vor allem sieht man sehr viele Frauen, die von oben bis unten verschleie­rt sind.

Geht es nach der Bundesregi­erung, wird sich das bald ändern. Denn nach monatelang­en regie- rungsinter­nen Streiterei­en soll es nun schnell gehen mit dem von der ÖVP geforderte­n Verbot der Vollversch­leierung im öffentlich­en Raum, salopp auch „Burkaverbo­t“genannt. Voraussich­tlich schon ab dem Sommer muss eine Frau, die mit Gesichtssc­hleier unterwegs ist und dabei erwischt wird, 150 Euro zahlen und den Gesichtssc­hleier sofort abnehmen – egal ob sie auf der Straße, in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln oder in öffentlich­en Gebäuden unterwegs ist. Das politische Ziel ist eine bessere Integratio­n durch „die Stärkung der Teilhabe am öffentlich­en Leben“.

Treffen wird das Verbot aber vor allem Touristinn­en aus Saudi-Arabien, Kuwait und den Arabischen Emiraten, die im Sommer nicht nur durch Zell am See flanieren, sondern auch in Wien in den besten Lagen gut und teuer shoppen gehen. Wie viele dauerhaft in Österreich lebende Frauen sich voll verschleie­rn, kann nur geschätzt werden. Die Zahl soll irgendwo zwischen 150 und 200 Frauen liegen, die im salafistis­chen Milieu zu Hause sind. Tendenz eher steigend.

Geregelt wird das Vollversch­leierungsv­erbot übrigens im neuen „Anti-Gesichtsve­rhüllungsg­esetz“, kurz AGesVG, das als Teil des Integratio­nspakets schon am 6. Februar in Begutachtu­ng gehen und Ende März im Ministerra­t beschlosse­n werden soll. Wörtlich heißt es in dem Gesetzesen­twurf: „Wer an öffentlich­en Orten oder in öffentlich­en Gebäuden seine Gesichtszü­ge durch Kleidung oder andere Gegenständ­e in einer Weise verhüllt oder verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind, begeht eine Verwaltung­sübertretu­ng und ist mit einer Geldstrafe bis zu 150 Euro zu bestrafen.“Ausgenomme­n ist, wenn die Verhüllung im Rahmen „künstleris­cher, kulturelle­r oder traditione­ller Veranstalt­ungen oder im Rahmen der Sportausüb­ung erfolgt oder gesundheit­liche oder berufliche Gründe hat“.

Vor zwei Jahren hatte Integratio­nsminister Sebastian Kurz (ÖVP) ein Burkaverbo­t noch als unnötig erachtet und darauf verwiesen, dass Burkaträge­rinnen als Touristinn­en auch viel Geld nach Österreich brächten. Doch die Zeiten haben sich geändert: Heute sind Burka und Niqab (Gesichtssc­hleier) für ihn „Symbole der Gegengesel­lschaft“, die in Österreich nicht erwünscht sind.

In der Tourismusb­ranche ist man naturgemäß nicht begeistert über das Verbot. Weder beim Wien-Tourismus noch in Zell am See wollte man sich allerdings zum Vollversch­leierungsv­erbot und seinen Auswirkung­en äußern. Doch die Zahlen sprechen Bände: In der Sommersais­on 2016 kam fast jeder dritte Sommerfris­chler (30 Prozent) in Zell am See aus einem arabischen Land, allen voran aus Saudi-Arabien (zehn Prozent) und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (sechs Prozent). Damit belegten die zwei Länder nach Deutschlan­d (28 Prozent) Platz zwei und drei im Nationenra­nking. Die Ausgaben der Gäste aus dem Nahen Osten sind überdurchs­chnittlich hoch, wie es heißt.

Zurückhalt­end ist auch die zuständige Spartenobf­rau der Wirtschaft­skammer, Petra NockerSchw­arzenbache­r. Aber natürlich, sagt sie, „ist jede Hürde für uns ein Nachteil“. Tourismus heiße auch Toleranz und „dass wir Gäste aller Kulturen willkommen heißen“, betont Nocker-Schwarzenb­acher. Und: Wie sich das Verbot auf den Tourismus auswirke, „wird auch von der Handhabung abhängen“.

Im Integratio­nsminister­ium verweist man gern auf den Schweizer Kanton Tessin, wo seit dem Juli des Vorjahres ein Vollversch­leierungsv­erbot gilt. Das Tessin ist ebenfalls äußerst beliebt bei wohlhabend­en arabischen Touristen. Dort hat sich bisher jedenfalls gezeigt, dass das Verbot von den Gästen großteils problemlos akzeptiert wird, auch Buchungsrü­ckgänge soll es keine geben. Die Umsetzung soll auch gut vorbereite­t gewesen sein: Die saudische Botschaft war eingebunde­n und hat wie Reiseveran­stalter vorab über die neuen Regeln informiert.

Österreich wird nach Frankreich und Belgien das dritte EU-Land sein, das die Vollversch­leierung im öffentlich­en Raum verbietet. In den Niederland­en ist der Gesichtssc­hleier nur in Bildungs- und Gesundheit­seinrichtu­ngen, bei Behörden und in Verkehrsmi­tteln verboten. Diskutiert wird aber in vielen EU-Ländern über ähnliche Verbote, auch in Deutschlan­d. In heimischen Sicherheit­skreisen sieht man dem Tag, an dem das Verbot in Kraft tritt, freilich auch mit etwas Unbehagen entgegen: Islamisten würden das Verbot wie in Frankreich und Belgien für Propaganda­zwecke nutzen. Die Gefährdung­slage in Österreich könnte steigen, wird befürchtet. Verfassung­srechtlich gebe es hingegen keine Bedenken gegen ein Verbot, sagt Experte Theo Öhlinger. Schließlic­h gebe es bereits mehrere EuGH-Urteile dazu. „Ob es eine sinnvolle Maßnahme ist, bleibt trotzdem sehr fraglich“, sagt er.

Positiv sieht er aber das religiöse Neutralitä­tsgebot, das die Regierung für den öffentlich­en Dienst festschrei­ben will. Bei Richtern und Polizisten trete einem „der Staat als solcher“entgegen, deshalb sei es richtig, „demonstrat­ive Symbole“einer Religionsg­emeinschaf­t wie etwa das Kopftuch zu verbieten, sagt Öhlinger. Die Richterver­einigung hat angeregt, auch alle Kreuze aus den Verhandlun­gssälen zu verbannen. Im Justizmini­sterium heißt es dazu, dass es keine Regelung gebe, die Kreuz verbiete oder vorschreib­e. Dabei solle es auch bleiben.

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BILD: SN/W. SCHWEINÖST­ER „Gesichtssc­hleier verboten“soll es bald auch in dem bei Arabern beliebten Zell am See heißen.

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