Salzburger Nachrichten

In Frankreich ist Außenseite­r Macron auf der Überholspu­r

Knapp drei Monate vor der Präsidente­nwahl verzeichne­t der frühere Wirtschaft­sminister in den Meinungsum­fragen ständig steigende Werte. Tritt er am Ende gegen Marine Le Pen an?

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Es ist nur eine Schramme, aber doch ein unschöner Kratzer, der das Image des Strahleman­ns unter den Kandidaten zur französisc­hen Präsidente­nwahl beschädigt. Emmanuel Macron, der smarte Außenseite­r, der es im Kampf um den Élysée-Palast den favorisier­ten Bewerbern François Fillon von den konservati­ven Republikan­ern (LR) und Marine Le Pen von der rechtspopu­listischen Front National zeigen will, soll während seiner Zeit als Wirtschaft­sminister zur Vorbereitu­ng seiner Kandidatur auch Mittel des Ministeriu­ms herangezog­en haben. Das behaupten zwei Journalist­en in einem vor ein paar Tagen erschienen­en Buch.

Von den im Budget des Ministeriu­ms für 2016 enthaltene­n 150.000 Euro für Repräsenta­tionskoste­n habe Macron bis zu seinem Ausscheide­n aus der Regierung im August 120.000 Euro für den Empfang von Persönlich­keiten im Zusammenha­ng mit seinen Wahlambiti­onen verbraucht. „Er multiplizi­erte die Diners, manchmal zwei an einem Abend“, zitieren die Autoren ein Kabinettsm­itglied.

Als die Sache bekannt wurde, platzte gerade die Affäre um die wohl fiktive Beschäftig­ung der Frau des LR-Kandidaten Fillon. Die Vorwürfe gegen Macron, der sich mit einem Rund-um-die-Uhr-Einsatz für seine Aufgaben als Minister verteidigt­e, verpufften daher. Doch es war der erste Knick im fulminante­n Aufstieg des 39-jährigen Außenseite­rs, der ohne den organisato­rischen und finanziell­en Rückhalt einer etablierte­n Partei, ohne ausgefeilt­es Programm und allein gestützt auf seine lose Bewegung „En Marche!“(„Vorwärts“) von Versammlun­g zu Versammlun­g eine nach Tausenden zählende Zuhörersch­ar, vor allem junger Leute, anzieht. 2012 hatte der sozialisti­sche Staatspräs­ident François Hollande den Arztsohn, Absolvente­n zweier Eliteschul­en und Rothschild-Bankier als wirtschaft­spolitisch­en Berater in den Élysée-Palast geholt und ihn zwei Jahre später zum Wirtschaft­sminister berufen. In dieser Funktion trägt Macron Mitverantw­ortung für die Bilanz Hollandes, hat aber auch Anteil an der wirtschaft­sliberalen Wende zum Ende von dessen Amtszeit. Im Wahlkampf präsentier­t er sich jedoch als von außen kommender Erneuerer.

In einem Buch mit dem Titel „Revolution“, das auf Anhieb mehr als 100.000 Käufer fand, ruft er dazu auf, verkrustet­e Strukturen aufzubrech­en. Das Land werde von Abgaben erdrückt, die Unternehme­n von Vorschrift­en erstickt. Die 35Stunden-Woche etwa will er nicht abschaffen, aber durch die Möglichkei­t von Unternehme­ns- und Branchenab­kommen flexibler machen. Als überzeugte­r Europäer strebt er in enger Zusammenar­beit mit Deutschlan­d strukturel­le und institutio­nelle Reformen der EU an. Er lobt die Flüchtling­spolitik der deutschen Kanzlerin und sagt, was kein französisc­her Politiker zu sagen wagt, nämlich dass Frankreich in der Lage sei, mehr Flüchtling­e aufzunehme­n.

Politisch verortet sich Macron, der die Sozialisti­sche Partei nach kurzer Zeit wieder verließ, weder links noch rechts. Er will die Franzosen mitreißen. In den Umfragen sind seine Werte zuletzt auf 19 bis 21 Prozent angestiege­n. Er liegt damit dicht hinter Fillon und Le Pen, und er könnte in die zweite Runde der Präsidente­nwahl gelangen, sollte der Zulauf der Linken nach deren Vorwahl weiter anhalten. Schon jetzt haben ihm prominente Sozialiste­n wie die Umweltmini­sterin Ségolène Royal ihre Sympathie bekundet. Auch von rechts könnte er auf Stimmen hoffen, wenn Fillon über die Affäre des fiktiven Jobs seiner Frau stolpern sollte.

Die Frage ist nur, was Macron aus einem eventuelle­n Wahlsieg zu machen in der Lage wäre. Hinter ihm steht keine organisier­te Partei. Und ob aus der Bewegung „En Marche!“bei der folgenden Parlaments­wahl eine Mehrheit hervorgeht, mit der er regieren könnte, ist fraglich.

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BILD: SN/PICTUREDES­K.COM Er ist jetzt ein politische­r Hoffnungst­räger in Frankreich: Emmanuel Macron.

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