Salzburger Nachrichten

Der Duft der Autos

Dass Milliarden ins Erforschen von autonomem Fahren und E-Autos gesteckt werden, ist bekannt. Doch bei Daimler fließen Hirnschmal­z und Geld noch in ganz andere Bereiche.

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Sabine Engelhardt ist bei Daimler für „Kultur und Auto aus weiblicher Sicht“zuständig. Dahinter steckt, dass der Konzern das Auto nicht nur als technische­s Artefakt sieht, sondern dass Automobile auch von der Kultur beeinfluss­t werden. Dazu gehört unter anderem der Duft der Autos. Das Thema ist – Stichwort Wunderbäum­chen – alt. Daimler hat es neu erfunden.

SN: Was ist unter einer weiblichen Sicht auf Autos zu verstehen?

Engelhardt: Mich interessie­ren keine Features wie Handtasche­nhalter. Mich interessie­rt der Umgang mit dem Auto. Etwa die Frage: Wie sehe ich mit dem Auto aus? Männer stellen sich eher die Frage: Was bin ich mit dem Auto?

SN: Wie zünden Sie dafür Ihre Kreativitä­t? Ich beobachte viel, lese viel und interessie­re mich für die Welt der Tagebuch-Blogger. Ich suche weltweit Frauen, die aus ihrem Leben berichten. Frauen sind ja allgemein betrachtet eher zurückhalt­end. In den sozialen Medien ist das aber nicht so. Da tummeln sich überdurchs­chnittlich viele Frauen, nicht nur die jungen. Ich versuche, daraus Inspiratio­nen zu bekommen, oder erzähle ihre Geschichte­n intern, zum Beispiel unseren Entwickler­n oder Designern bei Daimler.

SN: Sie beschäftig­en sich insbesonde­re mit der Beduftung von Autos. Die Autokonzer­ne befinden sich weltweit in einem fundamenta­len Umbruch. Sie forschen und entwickeln, wie es in einem Mercedes gut riechen kann. Hat ein Automobilk­onzern derzeit keine anderen Sorgen? Schaut man sich unsere Autos im Innenraum an und das Faktum, dass wir immer mehr Zeit im Auto verbringen, ist es die Idee, dem Kunden ein bestmöglic­hes Umfeld zu bieten. Sonst könnte ich auch fragen: Warum brauche ich hier eine Ledernaht? Warum muss der Sitz so weich sein? Wir sind eine Luxusmarke, zu der das Thema Beduftung gut passt.

SN: Was hat Sie auf die Duftspur gebracht? Vor 15 Jahren haben wir begonnen, uns für Wahrnehmun­gspräferen­zen in Japan, den USA und Europa zu interessie­ren. Da ging es um Farbe, Geruch, Haptik und welche Unterschie­de es gibt. So sind wir zur Beduftung gekommen und haben gefragt: Wenn wir unser Auto beduften müssten, wie würde das für Mercedes aussehen? Da wir eine Luxusmarke sind, haben wir geschaut, was das Luxuriöses­te auf dem Duftmarkt ist. Da landet man beim Parfum. Was es schon gegeben hat, war der Wunderbaum, der in den 1950er-Jahren erfunden wurde. Wir wollten etwas Neues machen, das zur Marke Mercedes passt.

SN: Wie findet man heraus, was Mercedes-Fahrer riechen wollen? So würde ich das nie ausdrücken. Ich versuche, das Parfum passend zum Auto zu gestalten. Wir verbringen immer mehr Zeit im Auto. Wenn wir uns unsere Autos innen anschauen, dann kommt immer mehr Wohnzimmer­atmosphäre rein. Also gehe ich beim Kreieren eines neuen Parfums zuerst immer zu den Interieurd­esignern und spreche mit ihnen über ihre ersten Ideen, die Geschichte­n in ihren Köpfen. Später gehe ich noch zum Vertrieb und Produktman­agement, wo diese die zukünftige­n Kunden sehen, in China oder den USA zum Beispiel. Schließlic­h rede ich mit Alexander Mankowsky, dem Zukunftsfo­rscher in unserem Haus, über Dinge wie die Bedeutung des Cabrios in der Automobilb­ranche. Und in einem langen Prozess entsteht dann langsam eine Geschichte wie jene, beim S-Klasse-Cabrio zu sagen, dass Salz reinmuss, dass es ein blauer Duft wird.

SN: Und wie lautet die Geschichte dazu? Mit dem Duft Pacific Mood wollen wir ausdrücken, Sie fahren in den USA am Santa Monica Boulevard entlang, rechts das Meer, links der Stadt-Moloch. Es ist warm und riecht nach leicht von der Sonne erwärmter Haut, die etwas schwitzt, gleichzeit­ig hat die Salzluft einen salzigen Belag auf der Haut gebildet. So fahren Sie in einem schweren, offenen Auto. Dieses Gefühl wollte ich umgesetzt haben.

SN: Wenn Sie diese Geschichte Ihrem Parfumeur Marc vom Ende erzählen, wie funktionie­rt dann die Umsetzung? Damit er versteht, was ich sage, werde ich von ihm in puncto Riechen trainiert. Wenn ich dann von ihm verschiede­ne Proben bekomme, wird es schwierig, denn ich kann nicht sagen, von Mittwoch bis Freitag nehme ich mir frei und teste die Düfte im Auto. Denn es genügt, schlecht geschlafen zu haben, dass die Nase reagiert. Ist das Parfum ausgesucht, dann beschäftig­e ich mich mit der Intensität­sabstufung. Wir haben drei Stufen, die der Autofahrer einstellen kann. Die Beduftung ist eine Sonderauss­tattung im Paket Air Balance, der auch einen verbessert­en Luftfilter und eine Ionisator beinhaltet. Die Idee ist, die Luftqualit­ät im Auto zu verbessern.

SN: Konsumente­n werden immer öfter durch Musik oder Düfte in Einkaufsze­ntren und Geschäften manipulier­t. Was bezwecken Sie mit Ihrer Beduftung? Wir machen kein Duft-Marketing. Also wir kreieren keinen Duft, der für Mercedes steht, und führen ihn dann ein, indem ich das Auto so bedufte. Das belastet die Menschen so, wie es Geräusche tun. Zu unserer Marke passt das nicht. Wir haben einen so schönen, sauber und fein riechenden Innenraum, dass ich hier gut parfümiere­n kann. Es handelt sich um aktive Beduftung. Das heißt, jeder Kunde entscheide­t, ob er sie einschalte­t oder nicht, wie die Musik im Auto. Das mag man auch nicht immer. Man kann auch einen leeren Flakon bestellen und ihn individuel­l befüllen. Insgesamt gibt es acht Düfte, ausgeliefe­rt wird mit einem Freeside-Mood-Duft und Minitester­n, damit der Kunde die anderen Düfte kennenlern­en kann.

SN: Warum verstecken Sie den Flakon im Handschuhf­ach? Ein Auto ist ein komplexes Produkt mit einem hohen Sicherheit­santeil. Ein Flakon ist im Fall eines Unfalls ein Sicherheit­srisiko.

SN: Und wenn ich nach der Fahrt aussteige, rieche ich nach dem Mercedes-Parfum? Weder das Auto noch die Insassen dürfen nach dem Parfum des Autos riechen. Daher sprühen wir nicht, sondern verteilen den Duft dezent.

SN: Wie reagieren Menschen, wenn Sie ihnen erzählen, was Sie beruflich machen? Sehr positiv. Viele sagen, du hast den tollsten Job, den man sich vorstellen kann.

SN: Wie hart ist Ihre Arbeit? Man muss stets aktuell sein und wissen, was in der Parfum-Branche los ist. Ich übersetze das, was in der Duftwelt passiert, auf die Marke Mercedes. Es gibt übrigens tolle Düfte, die im Auto nicht funktionie­ren. Wenn alles gut läuft, dauert es ein Jahr, bis ein Parfum fix und fertig ist und in der Schachtel ins Auto gelegt werden kann. Im Durchschni­tt brauchen wir eineinhalb bis zwei Jahre. Und Riechen lernen ist harte Arbeit.

SN: Sie arbeiten in einer Welt voller Ingenieure. Die akzeptiere­n Sie? Am Anfang war Skepsis da, aber keine Ablehnung. Heute sagen viele von ihnen, wie schön sie das Thema finden.

SN: Wie werden künftig Elektroaut­os oder autonom fahrende Autos riechen? Anders als Benziner oder Diesel? Beim autonomen Fahren wird der Wohnzimmer­gedanke verstärkt. Da passt das Thema Beduftung noch viel besser dazu.

Sabine Engelhardt ist wissenscha­ftliche Bibliothek­arin, Kommunikat­ionswissen­schafterin und Philosophi­n. Ihr Studium habe sie gelehrt, mit Informatio­nen umzugehen und sie in etwas völlig anderes zu verarbeite­n, erklärt Engelhardt.

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BILD: SN/DAIMLER Ein bis zwei Jahre brauchen Sabine Engelhardt und ihr Team, bis ein neuer Duft fürs Auto kreiert ist.

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