Salzburger Nachrichten

Wenn Männer laut nach mehr Frauen rufen

- Richard Wiens WWW.SALZBURG.COM/WIENS

Das ging ja schnell. Sage noch einer, die Sozialpart­ner hätten in Österreich an Bedeutung verloren oder Einfluss eingebüßt. Am 9. Jänner ließ Arbeiterka­mmerpräsid­ent Rudolf Kaske die Öffentlich­keit wissen, dass Österreich unbedingt eine gesetzlich vorgeschri­ebene Frauenquot­e für Aufsichtsr­äte großer Unternehme­n brauche. Nicht zum ersten Mal, aber diesmal hatte der AK-Chef Erfolg.

Keine drei Wochen später steht die Forderung als Vorhaben der Koalition im überarbeit­eten Regierungs­programm – interessan­terweise als Unterpunkt des Kapitels „Sicherheit und Integratio­n“. Die Politik betrachtet das Thema offenbar nicht nur unter dem Aspekt der Frauenförd­erung, sondern denkt größer. Man will Frauen nicht nur in die Führungszi­rkel integriere­n, sondern erwartet auch, dass Unternehme­n mit Frauen an der Spitze sicherer sind.

Wie dem auch sei. Ab Anfang 2018 müssen 30 Prozent der Aufsichtsr­äte in börsenotie­rten Unternehme­n und solchen mit mehr als 1000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn Frauen sein. Wie ein Verstoß gegen diese Verpflicht­ung sanktionie­rt wird, ist offen, die Regierung verweist allerdings auf die deutsche Rechtslage. Dort gilt die 30-Prozent-Frauenquot­e für börsenotie­rte Unternehme­n seit Anfang 2016 – erfüllen sie diese Auflage nicht, dann bleiben die Plätze im Kontrollgr­emium leer. Na bumm.

Unbestritt­en ist, dass Frauen in Spitzenfun­ktionen in der Wirtschaft unterreprä­sentiert sind – aber das gilt auch für die Politik. In Österreich kommt der Gesetzesvo­rstoß von einer Regierung mit einer Frauenquot­e von 25 Prozent. Rechnet man die Staatssekr­etäre weg, die formell nicht dazugehöre­n, verringert sie sich auf 21 Prozent. Man kann einwenden, dass dem Aufsichtsr­at im politische­n System eher der Nationalra­t entspricht, dem die Regierung verantwort­lich ist. Nun, bei den Abgeordnet­en liegt der Frauenante­il aktuell haarscharf über 30 Prozent – gerade noch die Kurve gekratzt.

An Frauenquot­en scheiden sich die Geister – und nicht nur die der Männer. Richtig froh machen sie auch viele Frauen nicht. Ex-SPÖPolitik­erin Brigitte Ederer, viele Jahre Personalvo­rstand bei Siemens, sprach sich lange gegen eine Frauenquot­e aus – jetzt begrüßt sie das Gesetz. Interessan­t ist aber, dass just jene Männer, die laut nach einer verpflicht­enden Frauenquot­e an der Spitze von Unternehme­n rufen, stets dafür sorgen, dass der Kelch an ihnen vorübergeh­t. Das gilt für Parteien und Sozialpart­ner gleicherma­ßen.

Gerade sie hätten es aber in der Hand, die Aufstiegsc­hancen von Frauen zu erhöhen, durch mehr Angebote zur Kinderbetr­euung, und vieles mehr. Vor allem aber dadurch, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen und nicht nur von gleichen Chancen für Frauen reden und sie von anderen einfordern, sondern es selbst vorleben. Aber über diesen Schatten springt Mann dann doch nicht leicht.

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