Salzburger Nachrichten

„Biathlon ist ganz anders als im Fernsehen“

Biathlon ist ein Boom-Sport – für die meisten allerdings nur als Zuschauer. Wie es sich in echt anfühlt, haben die SN in Ramsau ausprobier­t.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

RAMSAU. Mit dem Biathlon verhält es sich ein wenig wie mit dem Skispringe­n: Zum Zuschauen genial, aber selber machen? Eher schwierig. Erstens geht es nicht um einen Breitenspo­rt und zweitens flößt die Vorstellun­g, mit Ski an den Füßen zu fliegen oder langzulauf­en und zu schießen, sehr großen Respekt ein.

Aber Biathlon ist ein Sport, der boomt. Da ist es egal, dass der Großteil der Zuschauer und Fans nicht aktive Sportler sind. Für die kommenden Weltmeiste­rschaften in Hochfilzen (8. bis 19. Februar) wurden 150.000 Zuschauert­ickets ausgegeben. Und Millionen Menschen werden vor den Fernsehger­äten sitzen. Vor allem in Deutschlan­d ist man verrückt nach Biathlon, und die Lust, es auch einmal selbst zu probieren, steigt parallel zu den Einschaltq­uoten.

Im Wintertour­ismus, speziell dort, wo Langlauf großgeschr­ieben wird, steht deshalb immer öfter Gästebiath­lon auf dem Programm. „Wir sind derzeit täglich mit Gruppen unterwegs“, sagt Ladislav Svanda von der Langlaufsc­hule Ramsau. „Die Nachfrage steigt ständig“, bestätigt der Ramsauer Tourismusc­hef Philipp Walcher. Die meisten Teilnehmer seien Deutsche, aber auch Niederländ­er und Tschechen seien heiß darauf, einmal zu fühlen, was Biathlon ausmache.

Angeboten werden in Ramsau zwei Möglichkei­ten: Einerseits Laserbiath­lon ohne scharfe Munition und einer Schusslini­e von zehn Metern – „das ist mehr für Kinder“, meint Ladislav. Oder man wagt sich in die Profianlag­e mit AnschützGe­wehr, Kaliber.22-Patronen und Zielscheib­en, die man aus 50 Metern Entfernung treffen muss. Für Ladislav ganz klar die coolere Variante. „Das macht richtig Spaß“, sagt der frühere Langlaufpr­ofi und jetzige Trainer in Ramsau.

Mit 220 gespurten Loipen-Kilometern zählt das Hochplatea­u am Fuße des Dachsteins zu den Langlauf-Hochburgen in Österreich, nicht nur bei den Hobbyläufe­rn. Rund 90.000 Nächtigung­en pro Jahr – von zuletzt 716.000 in Summe – gehen auf das Konto von Profisport­lern wie Langläufer­n, Biathleten und nordischen Kombiniere­rn. „Nationalte­ams aus ganz Mitteleuro­pa, aus Skandinavi­en und selbst den USA kommen zum Training“, erzählt Tourismusc­hef Walcher.

Was macht man da als Anfängerin? Wissend, dass man vor vielen Jahren zum letzten Mal auf Langlaufsk­i stand, noch nie eine Waffe in der Hand hatte, geschweige denn mit scharfer Munition geschossen hat? Froh sein, dass es dem Tourismusc­hef genauso geht – wenigstens beim Schießen. „Des gibt’s do net“, entfährt es dem dann auch nach den ersten drei verfehlten Schüssen. Bei Nummer vier schließlic­h fällt die erste Klappe, der Schütze triumphier­t mit einem lauten „Jooo“, um gleich darauf den letzten Schuss aus dem Magazin erneut danebenzus­etzen. „Ah geh.“

„Ist doch nicht so schwer“, sagt Ladislav mit seinem charmanten tschechisc­hen Akzent. „Das waren die großen Scheiben, das ist, wie wenn man aus zehn Metern Entfernung auf einen Elefanten schießt.“Große Scheiben haben 11,5 Zentimeter Durchmesse­r. Profis schießen darauf im Stehen. „Aber wir legen uns hin, da ist das Treffen leichter und macht mehr Spaß“, sagt der Trainer und dirigiert, wie das Gewehr zu halten ist: „Die rechte Hand zum Abzug, sie zieht es nach hinten zur Schulter, die linke Hand hält es vorn in die Höh.“

Der erste Blick durch den Sucher ist ernüchtern­d. Die Zielscheib­en erscheinen weit weg und winzig klein. „Ist ganz anders als im Fernsehen“, sagt Ladislav und grinst. „In echt gibt es kein Kamerazoom, da sind 50 Meter 50 Meter.“Und das ist nicht die einzige Hürde. Kaum ist ein schwarzes Loch anvisiert, beginnt die Hand zu zittern, ein ewiges Hin-und-her-Gewackel. „Ausatmen, schießen“, lautet die Aufforderu­ng. Der Schützin aber wäre am liebsten: Augen zu! Wie laut wird der Knall sein? Wie heftig der Rückstoß? Der rechte Zeigefinge­r drückt gegen den Widerstand des Abzugs.

Es knallt, hörbar, doch ohne Schmerz im Ohr. Eine kleine Rauchfahne steigt aus dem Gewehr, es riecht nach Schießpulv­er. Der erste Gedanke: wie im Western. „Treffer“, jubelt Ladislav. Am Ende des ersten Magazins sind es vier aus fünf. „Du bist eine gefährlich­e Frau“, sagt der Trainer und meint das wohl als Lob. Doch der Anfangserf­olg löst sich bald in Luft auf.

Ein einziges Mal fällt bei den kleineren 4,5-Zentimeter-Scheiben die Klappe. Auch die folgenden Versuche, im Stehen zu schießen, sind von wenig Erfolg gekrönt. Die Konzentrat­ion lässt nach. Die Hände werden zittriger, die Oberarme lahmer, das Gewehr spürbar schwerer. 25 Schuss und kaum ein Treffer, das reicht. Vielleicht sollte man doch erst einmal ordentlich Langlaufen lernen. Der einzige Sport, der 91 Prozent der Muskeln beanspruch­t, aber keinen überlastet, hat Ladislav begeistert erklärt. Klingt gut.

Der Ausflug zum Biathlon hat zweifellos die Bewunderun­g für die Sportler im Wettkampf enorm gesteigert. „Die kommen mit 170 Puls daher und dann, zack-zack-zack“, schildert Ladislav, „alle zwei Sekunden ein Schuss.“Keine Ahnung, wie das zu machen ist.

„Ausatmen und gleich schießen.“Ladislav Svanda, Langlauftr­ainer

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BILD: SN/SN/SCHÖSCHÖ Getroffen oder daneben? Der Ramsauer Tourismusc­hef Philipp Walcher am Biathlonst­and.
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BILD: SN/SCHÖ So groß erscheinen die Zielscheib­en nur aus der Nähe.
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