Dänen sind die glücklichsten Menschen
Das dänische Wort „hygge“ist ein Erklärungsversuch für das Hochgefühl im Land. Doch es gibt auch Kritik daran.
KOPENHAGEN. Geld allein macht nicht glücklich. Diese Erkenntnis wird auch von internationalen Glücksranglisten untermauert. In denen dümpeln reiche Länder wie Deutschland oft nur im Mittelfeld, wie zuletzt auf Platz 16 im „World Happiness Report 2016“der Vereinten Nationen. Japan kommt gar nur auf Platz 53. Die Dänen hingegen liegen wieder einmal auf Platz eins.
Erklärungen dafür gibt es viele. Es geht oft um soziale Gerechtigkeit, Wohlfahrt, Arbeitszeiten, hohe Beschäftigungsquoten und Sicherheit. Eine britische Studie ergab, dass eine Genstruktur, die gerade in Dänemark verbreitet ist, der Produktion des Glückshormons Serotonin besonders zuträglich ist. Derzeit tingelt jedoch ein eher weicher Erklärungsversuch durch die internationale Presse. Das dänische Lebensgefühl der hygge soll dabei zentral sein. Wörtlich übersetzt heißt es Gemütlichkeit. Es geht dabei um entspanntes Beisammensein, oft in Kombination mit deftigem Essen und Alkohol. Und Kerzen sind wichtig. Die Dänen verbrauchen mit sechs bis acht Kilogramm Kerzen pro Jahr und Person mit Abstand am meisten in Europa.
„Die Dänen sind ausnehmend gut darin, Reichtum vom Wohlgefühl abzukoppeln. Wenn unsere wichtigsten Bedürfnisse befriedigt sind, merken wir, dass Geld nicht zu mehr Glück führt. Stattdessen konzentrieren wir uns auf Dinge, die unsere Lebensqualität verbessern“, sagt Meik Wiking den SN. Er schrieb das Buch „Hygge – ein Lebensgefühl, das einfach glücklich macht“.
Hygge ist Alltagsglück. Man sitzt zusammen, muss sich nicht anstrengen. Es ist in Ordnung, über Belangloses zu reden oder gar nichts zu sagen. Fast meditativ geht es bei hygge darum, im Hier und Jetzt zu sein. Es geht um die Freude über kleine Dinge.
„Hygge gibt es auch in vielen anderen Ländern. Der Unterschied ist, dass wir ein Wort für diesen Akt haben und dass er ein bedeutender Teil der kulturellen DNA Dänemarks ist, so wie in den USA die Freiheit“, sagt Wiking. Bei den Dänen schwingt hygge als allgemeiner Zustand der Fröhlichkeit auch im Alltag mit und gibt in schwierigen Situationen zusätzliche Energie. Wegen hygge gelten die Dänen auch bei den etwas steiferen Schweden als besonders frohsinnige Skandinavier.
„Die einzigartige kulturelle Erbschaft aus der Wikingerzeit könnte eine Rolle beim hohen Glücksempfinden der Dänen spielen“, sagt der dänische Glücksforscher Christian Björnskov. Damals seien die Dänen auf rationales Denken und blindes Vertrauen angewiesen gewesen. Zeit für Gefühlsduseleien gab es kaum. Auch heute noch wirken die Skandinavier im Vergleich zu ihren Nachbarn rationaler.
Doch ob das alles wirklich glücklicher macht, ist umstritten. So nehmen die Dänen deutlich mehr Antidepressiva ein als viele andere Europäer. Auch sind viele Dänen Fremden gegenüber nicht besonders offen. Hygge schließt Fremde oft aus. „Die dänische hygge ist per Definition nur etwas für richtige Dänen“, schreibt der schwedische Sozialpsychologe Lasse Dencik etwas bitter nach 30 Jahren im Land. Auch dem dänischen Soziologen Jörgen Öllgaard gefällt hygge nicht: „Hygge ist das Diktat eines konfliktfreien Zusammenseins, geboren aus kleinbürgerlicher Konfliktscheue“, schreibt er.