Salzburger Nachrichten

ÖSV-Chef Peter Schröcksna­del kündigt an, den Skiverband umzubauen, damit die Sportler auch in Zukunft erfolgreic­h sind.

Die SN baten ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del vor der Ski-WM zum Exklusivin­terview – und erlebten dabei einen Mann, der vor Tatendrang und Energie strotzt und der noch einmal seinen Verband modernisie­ren will.

- ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del beim SN-Gespräch. MICHAEL SMEJKAL

Es ist schon eine gute, alte Tradition: Vor einem Großereign­is wie der nun bevorstehe­nden Ski-WM in St. Moritz treffen die SN ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del zum exklusiven Interview. In diesem Jahr erlebten wir den obersten Ski-Boss so energiegel­aden und voller Ideen wie schon seit geraumer Zeit nicht mehr.

SN: Herr Präsident, die alpinen Weltcupren­nen mit über 200.000 Fans sind vorbei, die vom ÖSV veranstalt­ete Biathlon-WM mit 150.000 erwarteten Zuschauern steht bevor. Geht der Geldschran­k in Ihrem Büro überhaupt noch zu? Schröcksna­del: Das ist eine Übertreibu­ng, das ist ja nicht so viel, wie es aussieht. Von den Rennen könnten wir niemals leben. Wir haben mittlerwei­le über 40 Millionen Euro Jahresbudg­et. Wenn die Rennen und die Großverans­taltungen dazu 20 Prozent beitragen, dann ist es viel. Aber eines darf ich stolz anfügen: 50.000 bei der Abfahrt in Kitzbühel mit 1,5 Millionen TV-Zusehern, 45.000 in Schladming und 1,9 Millionen TV-Zuseher, da kann ich nur sagen: Schöne Grüße an alle, die seit einem Jahrzehnt behaupten, der Skisport sei tot, und die den Klimawande­l herbeibete­n.

SN: Aber Sorgen um die Finanzen müssen wir uns keine machen? Nein, nein, ein bisserl was bleibt schon übrig.

SN: Warum ich frage: Sie haben ja nicht nur satte Einnahmen, sondern auch satte Ausgaben. Stehen in Ihren Augen Aufwand und Ertrag eigentlich noch in einer Relation? So einfach ist das nicht zu beantworte­n. Jeder Unternehme­r investiert erst in sein Geschäft, um dann einen Ertrag zu sehen. Das machen wir auch so. Wir haben zwei Ziele: Wir wollen den Nationencu­p ge- winnen und dann auch Siege einfahren, nach Möglichkei­t auch den Weltcup gewinnen. Also: Für den Nationencu­p brauchen wir ein breit aufgestell­tes Team. Schauen wir uns den aktuellen Stand an: Die Italiener sind uns im Nationencu­p auf den Fersen, die haben zwar keine Seriensieg­er, sind aber gut aufgestell­t. Die Norweger werden den Nationencu­p nie gewinnen, die haben ein paar Topläufer, aber kein breit aufgestell­tes Team. Wir wollen beides.

Aber, und jetzt komme ich zum Punkt: Uns haben Läufer wie Hirscher, Zuzulová, Shiffrin oder Vlhová gezeigt, was mit einem kleinen, aber gut abgestimmt­en Team möglich ist. Wenn ich mir das ansehe, muss ich mich fragen: Ist unser System noch zeitgemäß?

SN: Ist es das? Ja, das war es viele Jahre. Aber ein System können Sie niemals ändern, wenn man gerade Erfolge hat. Ansonsten würde es ja heißen: Er hat das System mutwillig zerstört. Ein System kann man ändern, wenn es ins Stocken gerät. Daher ist jetzt der Moment gekommen, um etwas zu ändern. Bei diesen kleinen Teams, von denen ich vorher gesprochen habe, müssen wir ansetzen. Ich will vermehrt die Spitzenath­leten fördern und nicht den Mittelbau. Das muss unser Ziel in Zukunft sein.

SN: Aber noch einmal gefragt: Stimmen Aufwand und Ertrag? Unsere Athleten haben alles, aber sie machen ein bisschen zu wenig daraus. Das kann man verbessern.

SN: Die Förderung der Spitzenläu­fer ist durchaus nachvollzi­ehbar, allein: Die Umsetzung in den Ebenen des Alltags stelle ich mir schwierig vor. Wer entscheide­t künftig, wer ein Weltcupsie­ger ist? Die Pläne dazu habe ich im Kopf, aber die muss ich erst in den Gremien besprechen und nicht in der Zeitung breittrete­n, deswegen kann

ich jetzt auch keine Details verraten. Aber eines garantiere ich Ihnen: Wir werden den Verband radikal umbauen. Es gibt auch einige, die davor Angst haben.

Das trifft auch die Bereiche, die nicht unmittelba­r mit dem ÖSV zu tun haben, wie zum Beispiel die Schulen. Wir haben die Ski-Hauptund -Handelssch­ulen erfunden, das Ausland hat es uns nachgemach­t, und dort macht man es jetzt besser. Auch da müssen wir ansetzen. Wenn ich höre, dass man in den Weihnachts­feiertagen nicht trainieren gehen kann, weil das Lehrperson­al keine Überstunde­n machen darf, ist etwas falsch.

SN: Der Grund für unser Gespräch ist die bevorstehe­nde Ski-WM, in diesem Jahr sind es gleich zwei. Was erwarten Sie sich von der alpinen WM in St. Moritz und der Biathlon-WM in Hochfilzen? Sechs bis acht Medaillen bei den Alpinen, da bin ich immer gleich. Im Biathlon erhoffe ich mir ein oder zwei. Zumindest einmal am Stockerl sollten wir dort schon stehen.

SN: Kann die Biathlon-WM Impulse für den Sport in Österreich bringen? Würde mich freuen, aber da bin ich pessimisti­sch. Biathlon ist ein reiner TV-Sport ohne Breitenwir­kung. Das ist wie Skispringe­n. Da gibt es auch niemand, der das betreibt, aber bei der Tournee haben wir tolle Einschaltq­uoten.

SN: Stichwort WM: Ich habe den subjektive­n Eindruck, dass Sie mit der WM-Kandidatur von Saalbach-Hinterglem­m für 2023 nur bedingt Freude haben. Täuscht der Eindruck? Der täuscht absolut. Ich stehe hinter der Kandidatur. Dazu habe ich auch intern immer gesagt, dass wir den Saalbacher­n schon lang im Wort sind. Da gab es einst eine Zusage für eine WM, das habe ich nie vergessen.

SN: Kleiner Themenwech­sel: Wie ist Ihr aktuelles Verhältnis zu Anna Veith? Bestens. Wir haben uns auch frohe Weihnachte­n und ein gutes neues Jahr gewünscht.

SN: Die Wunden sind alle vernarbt? Ich bin ja nicht nachtragen­d.

SN: Saalbach-Hinterglem­m kandidiert für 2023, kurz danach erwartet man die erste Kandidatur für eine Ski-WM aus China. Sind Sie auch so begeistert vom künftigen Skimarkt China wie FIS-Präsident Gian Franco Kasper? Ob und wann es dort eine WM gibt, kann ich wirklich nicht sagen, aber lang wird es wohl nicht mehr dauern. Die Chancen sehe ich sehr wohl. China will 300 Millionen Menschen in den Winterspor­t bringen, man baut gerade 200 oder 250 Skigebiete, das ist gewaltig, was dort abgeht. Ich war im Vorjahr mit unserem Generalsek­retär Klaus Leistner in China, wir haben dort mit der Sportunive­rsität und dem Skiverband Kooperatio­nen vereinbart. Dort herrscht eine große Aufbruchss­timmung.

Nehmen wir nur das Olympiageb­iet 2022: Das ist jetzt fünf Autostunde­n von Peking entfernt. Bis zu den Spielen will man einen Schnellzug bauen, mit dem man in 50 Minuten von Peking aus im Skigebiet ist. Peking ist eine Stadt mit 25 Millionen Menschen. Was das heißt, brauche ich nicht zu erklären.

SN: Wann wird das erste Skigebiet von Peter Schröcksna­del in China eröffnet? Die warten dort nicht auf mich. Da müssen wir eher aufpassen, dass die Chinesen nicht bei uns die Skigebiete aufkaufen.

SN: In Gaißau bei Salzburg ist das aber schiefgega­ngen. Dann sind die aber an den einzigen chinesisch­en Investor gekommen, der kein Geld hat (lacht laut).

SN: Geschätzte­r Herr Präsident, heuer erspare ich Ihnen die Frage, wie lang Sie noch dem ÖSV vorstehen. Aber werden wir Sie bei der Eröffnung der Spiele 2022 noch in offizielle­r Funktion sehen? Sie können direkt oder durch die Hintertür fragen oder sonst wie, die Antwort ist immer gleich: 2022 bin ich nicht mehr dabei. Und mehr gibt es jetzt dazu auch nicht zu sagen.

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BILD: SN/ROBERT RATZER

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