Salzburger Nachrichten

Der Verkauf des Privatsend­ers ATV schlägt hohe Wellen. Zu Recht. Die Fernsehlan­dschaft in Österreich ist im Umbruch.

Der Verkauf des TV-Privatsend­ers steht im Spannungsf­eld von ökonomisch­en Interessen und demokratis­cher Meinungsvi­elfalt.

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Die Mitteilung vom vergangene­n Donnerstag war unspektaku­lär, aber bedeutsam. Die Absage der Programmpa­rty von ATV, als „Smart Party“für Mitte Februar angekündig­t, konnte nur bedeuten, dass sich vorher Bedeutende­s ereignen würde. Und das konnte nach den Spekulatio­nen der vorangegan­genen Tage und Wochen nur den bevorstehe­nden Verkauf des Senders bedeuten.

ATV soll an den Konzern um die Privatsend­er Pro7/Sat1/Puls 4 veräußert werden, was doch hohe Wellen schlägt. Obwohl ATV mit seinen drei Kanälen (mitgerechn­et ATV II und ATVsmart) einen geringen Marktantei­l erreicht, ist die Bedeutung dieser medialen Veränderun­g nicht nur symbolisch. Die Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB) hat überrasche­nderweise bereits im ersten Anlauf prinzipiel­l grünes Licht gegeben, allerdings auch Auflagen angekündig­t. Diese könnten darauf hinauslauf­en, dass ATV unter der neuen Führung eine getrennte Werbeverma­rktung und eine weiter eigenständ­ige Redaktion haben muss.

Offenbar verzögern diese Aspekte den Verkauf, den ATV-Eigentümer Herbert Kloiber, ein in Wien geborener bedeutende­r Münchner Filmrechte­händler, rasch abschließe­n wollte. Das merkte auch der ATV-Betriebsra­t an, der vermutet, dass die jüngst zusätzlich gelegten Angebote von Eva Dichand („heute“), Wolfgang Fellner („Österreich“) und der Mediaprint („Krone“, „Kurier“) eine Rolle spielen könnten.

Anderersei­ts hatte Kloiber erst in der abgelaufen­en Woche im „Handelsbla­tt“erklärt, die Verhandlun­gen befänden sich im Zielkorrid­or. Dass die Bundeswett­bewerbsbeh­örde erst prüft, wenn eine konkrete Absicht vorliegt, und nicht in einem „Was wäre, wenn“-Stadium, deutet ebenfalls auf eine kurz bevorstehe­nde Entscheidu­ng hin. Außerdem hatte Pro7/Sat1 schon im Vorfeld nicht nur mit der BWB, sondern auch mit dem Bundeskart­ellanwalt und der Medienbehö­rde KommAustri­a die Konditione­n für eine mögliche Übernahme besprochen.

Tatsächlic­h ist der Zusammensc­hluss bedeutsame­r, als es auf den ersten Blick scheint. So hat Pro7/Sat1/Puls 4 laut Focus Media Research stattliche 36 Prozent Anteil am heimischen Werbekuche­n. Der ORF kommt lediglich auf 30 Prozent.

Die ATV-Redaktion warnt die Medienpoli­tik vor einem „massiven Verlust an Meinungsvi­elfalt“, wenn ihr Sender verkauft würde. „Nur eine Vielfalt an Redaktione­n sichert auch eine Vielfalt an Meinungen“, heißt es in einem Brief an Medienmini­ster Thomas Drozda.

Theodor Thanner, Leiter der BWB, betonte am Freitag im ORFRadio, man habe sich „bemüht, ein umfassende­s Bild des Marktes zu erhalten“. Die geplanten Auflagen werde man veröffentl­ichen, um transparen­t zu bleiben.

ATV startete im Juni 2003 als ATVplus, als erster bundesweit­er über Antenne zu empfangend­er Privatsend­er, blieb aber bis zum heutigen Tag in den roten Zahlen. Nach Marktantei­len von bis zu fünf Prozent rutschte ATV seit 2012 kontinuier­lich ab und liegt derzeit mit dem Hauptprogr­amm bei 2,1 Prozent, ATV II erzielt 0,5 Prozent.

Trotz einer forsch anmutenden Gratwander­ung zwischen Trash und Anspruch konnte ATV immer wieder Programmer­folge landen. „Bauer sucht Frau“, „Die Lugners“und „Teenager werden Mütter“punkteten als RealityFor­mate. Die millionens­chwere Daily-Soap „Wien – Tag & Nacht“floppte aber. Mit dem unmoderier­ten TV-Duell der Bundespräs­identschaf­tskandidat­en Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer schuf man freilich Fernsehges­chichte.

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