Die EU-Regierungschefs einigten sich in Malta auf einen Zehn-Punkte-Plan, um die Migration aus Afrika einzudämmen.
Europa will die Flüchtlingsroute über das Mittelmeer schließen. Beim Gipfel in Malta sah Deutschlands Kanzlerin aber „noch sehr, sehr viel Arbeit“zu tun.
VALLETTA. Wenn die 28 EU-Staatsund -Regierungschefs samt Entourage bei ihrem Treffen in Valletta, der Hauptstadt Maltas, bei strahlendem Wetter per Schiff zum Mittagessen im massiven mittelalterlichen Fort Sant Angelo fahren, hat das eine eigenwillige Wirkung. Einige Hundert Seemeilen entfernt retten EU-Schiffe möglicherweise zur gleichen Zeit Bootsflüchtlinge vor dem Ertrinken und bringen sie in sichere Häfen in Sizilien oder Kalabrien, kaum 200 Kilometer von Malta entfernt. Malta ist das kleinste EU-Land und hat derzeit den EURatsvorsitz inne.
In Zukunft soll dieser Strom versiegen. Das ist das Ziel des ZehnPunkte-Programms, auf das sich die EU-Chefs am Freitag verständigt haben. Die zentrale Rolle spielen dabei Libyen – und ein am Donnerstag bekannt gegebenes Abkommen mit Italien. Damit soll nach der Balkanroute auch die Südroute nach Europa gekappt werden.
Die EU will rund 200 Millionen Euro für die Unterstützung Libyens lockermachen. In der Vereinbarung zwischen Tripolis und Rom werden zwar keine konkreten Zahlen genannt. Allerdings dürfe die Finanzierung keine „zusätzliche Belastung für das italienische Staatsbudget“darstellen, sondern primär durch die Nutzung von EU-Fonds erfolgen. Die Bausteine der neuen EU-Strategie erinnern stark an den Deal mit der Türkei: Unterstützung für die libysche Küstenwache mit Ausrüstung und Ausbildung, vor allem aber Hilfe bei der Sicherung der Grenze, die im Süden durch die Sahara verläuft. Ferner Kampf gegen Schleppernetzwerke, Aufbau von Aufnahmeeinrichtungen in Kooperation mit dem UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration sowie mehr freiwillige Rückführungen. Das Italien-Papier wird hier konkreter. Die „temporär eingerichteten Flüchtlingslager in Libyen, die ausschließlich unter der Kontrolle des libyschen Innenministers stehen“, werden „unter Beachtung relevanter Standards und Verwendung von Mitteln“aus EUFonds und mit Geld aus Italien finanziert.
Libyen ist aber kein normaler Staat, wie Kritiker des neuen Kurses betonen. Die Einheitsregierung unter Premier Fayez al-Sarraj, mit der die EU kooperieren will, beherrscht nur Teile des Landes, das seit dem Sturz des Despoten Muammar alGadafi die wichtigste Transitzone von Afrika nach Europa ist. Nach UNHCR-Schätzungen warten rund 100.000 Menschen auf die Überfahrt – unter teils schrecklichen Bedingungen, wie Sprecherin Cecile Pouilly sagt.
Im Vorjahr kamen 181.000 Migranten und Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien, vor allem aus Afrika. 4700, so viele wie nie zuvor, haben die Überfahrt nicht überlebt – trotz der EU-Rettungsmissionen. Österreich Kanzler Christian Kern betonte, es stimme zumindest die Richtung der EU-Migrationspolitik, wenn auch das Tempo noch zu gering sei.
Nicht anwesend, aber allgegenwärtig war in Malta US-Präsident Donald Trump. Dessen restriktive Migrationspolitik sei „mit Sicherheit ein Katalysator für diese Diskussion“, sagte Kern. „Europa hat sein Schicksal selbst in der Hand“, betonte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Je deutlicher man sich über seine Rolle in der Welt im Klaren sei, desto besser könne man die transatlantischen Beziehungen pflegen. „So steht für mich das Sprechen über Europa im Vordergrund und nicht das Sprechen über andere Teile der Welt.“Außerdem, sagte Kern, sei es nicht nötig, auf jeden Tweet Trumps in epischer Breite zu reagieren.