Salzburger Nachrichten

St. Moritz. WM-Ort mit hoher Promidicht­e.Vor mehr als 150 Jahren wurde hier der Wintertour­ismus erfunden.

St. Moritz. Vor mehr als 150 Jahren wurde hier der Wintertour­ismus erfunden. Heute gilt der glanzvolle Ferienort auf der ganzen Welt als Inbegriff von Glamour im Schnee.

- BARBARA HUTTER Info: www.engadin.stmoritz.ch

Ab kommenden Montag blickt die Sportwelt auf das mondäne St. Moritz. Bereits zum fünften Mal findet hier eine SkiWM statt. Wohlverdie­nt, kann doch das kleine Schweizer Städtchen mit dem hohen Promifakto­r auf eine lange Geschichte verweisen.

Im Winter 2014/15 feierten St. Moritz, das Engadin und die Schweiz 150 Jahre Wintertour­ismus. Begonnen hatte alles mit der berühmten Wette des Engadiner Hoteliers Johannes Badrutt. Dieser vereinbart­e im Herbst 1864 zu Saisonende mit seinen letzten verblieben­en englischen Sommergäst­en ein riskantes Arrangemen­t: Der Winter im Engadin sei voller Sonnensche­in und viel angenehmer als jener in England. Um dies selbst zu erleben, lade er sie in sein Hotel ein – heute das Kulm Hotel. Sollten sie nicht zufrieden sein, übernehme er auch die Kosten für An- und Abreise.

Die traditione­ll wettlustig­en Briten kannten den kalten und feuchten Winter in England. Sie konnten sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es in den Schweizer Alpen anders sein sollte. Doch der Sportsgeis­t siegte: Sie kamen zur Weihnachts­zeit ins Oberengadi­n – und reisten erst nach Ostern wieder heim. Braun gebrannt, erholt und glücklich. Sie hatten eine neue Welt entdeckt: weiße Winterferi­en. Der Wintertour­ismus in den Alpen war geboren.

Doch schon immer schrieb St. Moritz Geschichte: Hier brannte 1878 das erste elektrisch­e Licht der Schweiz, 1896 fuhr hier die erste elektrisch­e Tram der Alpen. Hier stand das erste Palace Hotel Europas, 1929 eröffnete hier die erste Skischule der Schweiz, und hier werden noch heute Sportarten lanciert, die ihren Siegeszug um die Welt antreten, etwa die Bobweltmei­sterschaft auf einer Natureisba­hn, die einzige ihrer Art – dank dem ältesten und längsten Eiskanal der Welt, dem legendären„Cresta Run“aus dem Jahre 1890. Hier wurden und werden Trends geboren, hier werden sie gefeiert. Und hier werden noch immer Maßstäbe gesetzt – wie beispielsw­eise bei der Ski-WM 2003, dem ersten alpinen Großanlass, bei dem konsequent auf Nachhaltig­keit gesetzt wurde.

Am Anfang war – wie so oft – das Wasser: Seit der Bronzezeit wird in den Heilquelle­n von St. Moritz, den höchstgele­genen der Schweiz, gebadet. Sie sind noch dazu von besonderer Kraft, dank dem Zusammensp­iel von Hochmoor und intensivem, alpinen Reizklima. Die Quellen halfen also mit, den legendären Ruf von St. Moritz zu begründen, und selbst weit angereiste Naturheilä­rzte wie Paracelsus priesen sie in den höchsten Tönen. Lange Zeit zählt die Quellkirch­e des heiligen Mauritius zu den beliebtest­en Wallfahrts­orten Europas, ganze Fürsten- und Königshäus­er kurierten sich im prickelnd wohltuende­n Mineralwas­ser. Das geht immer noch – allerdings viel komfortabl­er und etwa als Teil eines ganzheitli­chen Wellnessan­gebots.

Doch auch heute noch bleibt beim Anblick des von Corvatsch und Corviglia, Piz Nair und Schafkopf umringten Tals die Luft weg. Und dies nicht wegen der 1822 Meter Seehöhe. Das 5000-Seelen-Städtchen im Engadin gilt heute weltweit als Inbegriff eines exquisiten Ferienorts. Das haben sich die St. Moritzer 1987 sogar schützen lassen: Sie sind jetzt „Top of the World“, samt Logo und Namenszug. So ein Ruf verpflicht­et. Und brach-

te die Zürcher „Weltwoche“dazu, den „draguns“, wie die St. Moritzer auf Rätoromani­sch heißen, das Talent zuzuschrei­ben, „langfristi­g jedes Malheur in eine Goldgrube zu verwandeln“.

Damit sind natürlich nicht die zahllosen Prominente­n gemeint, die seit dem Fin de Siècle St. Moritz mit ihrer zahlungskr­äftigen und publikumsw­irksamen Präsenz beehren. Diese Liste ist lang, die Namen sind glamourös. Zwischen den Skihütten und der berühmten Konditorei Hanselmann lustwandel­ten im Schnee stets die Stars ihrer Zeit: Caruso war hier, Charlie Chaplin und Marlene Dietrich, auch Alfred Hitchcock und Herbert von Karajan. Und die russische Ballettleg­ende Vaslav Nijinsky gab 1919 hier ihren letzten Auftritt, im fast privaten Rahmen, vor nur 200 Gästen.

Der Promifakto­r hat nicht nachgelass­en. Niederland­s Königskind Willem-Alexander kam mit Máxima hierher für die Flitterwoc­hen, König Carl Gustaf von Schweden und seine Silvia samt Anhang sind Stammgäste in St. Moritz. Zum alten Adel wie Bismarck oder Fürstenber­g hat sich neuer Geldadel gesellt, wie Flick oder die Exfrau des US-Präsidente­n, Ivana Trump. Auch Entscheidu­ngsträger genießen die Auszeit im Engadin, von Angela Merkel und Wladimir Putin bis Berlusconi und Sarkozy.

Magnetwirk­ung haben nicht zuletzt hochkaräti­ge Events mit internatio­naler Ausstrahlu­ng: vom Ski-Weltcup und dem GourmetFes­tival bis zum „White Turf“-Pferderenn­en und den „Snow Polo World Cup“. Das weltweit erste Poloturnie­r auf einem gefrorenen See fand 1985 statt. Seither ist hier die internatio­nale Elite dieses exklusiven Sports, um einander vor grandioser Bergkuliss­e den Ball abzujagen – im Rahmen der Cartier Trophy. Erfunden wurde dieser Wettkampf mit den trittsiche­ren Poloponys von den beiden Engadinern Reto Gaudenzi und Hans Peter Danuser. Inspiriert von dem – bereits traditione­llen – „White Turf-Pferderenn­en. Der Erfolg gab den Veranstalt­ern recht: Heute verfolgen jedes Jahr rund 15.000 Besucher und 150 Journalist­en direkt den dreitägige­n Event.

Sie strahlen Grandezza aus und historisch gewachsene­n Luxus: Die Fünf-SterneHäus­er von St. Moritz blicken auf eine bewegte Geschichte zurück. Und auf eine überaus erfolgreic­he. Denn die einzigarti­ge Dichte an Spitzenhot­els kommt nicht von ungefähr: Jedes Haus hat seit jeher seinen ganz eigenen Charme und seine ganz spezielle Klientel. Zu erleben – auch für NichtHotel­gäste – zum Beispiel zur Tea Time, die hier mit viel Stil, aber unverkramp­ft zelebriert wird. Im Hotel Waldhaus in Sils etwa wird die Hotelkultu­r seit 1908 gelebt – inzwischen in der fünften Generation –, was auch den Besucher des geschichts­trächtigen Hauses in eine andere Zeit versetzt.

Adel und vor allem Geldadel nächtigen allerdings nicht immer in den großen Hotels. Die „Grandes Fortunes“sind vielmehr entlang der Via Suvretta zu finden, in prachtvoll­en Villen, die wenn, dann nur um zig Millionen Franken den Besitzer wechseln. Unter den glückliche­n Besitzern waren Lebemänner, Industriel­le und Reeder, von Gunter Sachs, Lakshmi Mittal, dem einstigen Schah Reza Pahlavi und Giovanni Agnelli bis Aristotele­s Onassis und Stavros Niarchos.

Sie alle – wie auch die ganz gewöhnlich­en Wintergäst­e aus den umliegende­n Ländern und zunehmend den neuen Märkten wie Brasilien, Indien, China und den Golfstaate­n – schätzen die belebende Wirkung des Tals. Wenn dann die Temperatur­en sinken, spielt der Winter seine ganze Klasse aus. Dann beginnt die Luft im Engadin zu glitzern, als würde sie aus Millionen feinster Schneekris­talle bestehen. Wer dann glaubt, vor Glück bersten zu müssen, dem sagen die Einheimisc­hen gern, woran’s liegt: nämlich am Champagner­klima. Dass dann der erste Gedanke einem Gläschen des exquisiten Schaumwein­s gilt, ist ganz normal. Und hat durchaus seine Richtigkei­t: Auch dies kann ganz schön prickelnd sein.

 ??  ??
 ??  ?? Hotelpioni­er Badrutt.
Hotelpioni­er Badrutt.
 ??  ??
 ??  ?? Snow Polo auf dem zugefroren­en St. Moritzerse­e. BILDER: SN/SWISS-IMAGE.CH/ANDY METTLER (1)
Snow Polo auf dem zugefroren­en St. Moritzerse­e. BILDER: SN/SWISS-IMAGE.CH/ANDY METTLER (1)
 ??  ?? Ski-Ass Edy Rominger 1946.
Ski-Ass Edy Rominger 1946.

Newspapers in German

Newspapers from Austria