St. Moritz. WM-Ort mit hoher Promidichte.Vor mehr als 150 Jahren wurde hier der Wintertourismus erfunden.
St. Moritz. Vor mehr als 150 Jahren wurde hier der Wintertourismus erfunden. Heute gilt der glanzvolle Ferienort auf der ganzen Welt als Inbegriff von Glamour im Schnee.
Ab kommenden Montag blickt die Sportwelt auf das mondäne St. Moritz. Bereits zum fünften Mal findet hier eine SkiWM statt. Wohlverdient, kann doch das kleine Schweizer Städtchen mit dem hohen Promifaktor auf eine lange Geschichte verweisen.
Im Winter 2014/15 feierten St. Moritz, das Engadin und die Schweiz 150 Jahre Wintertourismus. Begonnen hatte alles mit der berühmten Wette des Engadiner Hoteliers Johannes Badrutt. Dieser vereinbarte im Herbst 1864 zu Saisonende mit seinen letzten verbliebenen englischen Sommergästen ein riskantes Arrangement: Der Winter im Engadin sei voller Sonnenschein und viel angenehmer als jener in England. Um dies selbst zu erleben, lade er sie in sein Hotel ein – heute das Kulm Hotel. Sollten sie nicht zufrieden sein, übernehme er auch die Kosten für An- und Abreise.
Die traditionell wettlustigen Briten kannten den kalten und feuchten Winter in England. Sie konnten sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es in den Schweizer Alpen anders sein sollte. Doch der Sportsgeist siegte: Sie kamen zur Weihnachtszeit ins Oberengadin – und reisten erst nach Ostern wieder heim. Braun gebrannt, erholt und glücklich. Sie hatten eine neue Welt entdeckt: weiße Winterferien. Der Wintertourismus in den Alpen war geboren.
Doch schon immer schrieb St. Moritz Geschichte: Hier brannte 1878 das erste elektrische Licht der Schweiz, 1896 fuhr hier die erste elektrische Tram der Alpen. Hier stand das erste Palace Hotel Europas, 1929 eröffnete hier die erste Skischule der Schweiz, und hier werden noch heute Sportarten lanciert, die ihren Siegeszug um die Welt antreten, etwa die Bobweltmeisterschaft auf einer Natureisbahn, die einzige ihrer Art – dank dem ältesten und längsten Eiskanal der Welt, dem legendären„Cresta Run“aus dem Jahre 1890. Hier wurden und werden Trends geboren, hier werden sie gefeiert. Und hier werden noch immer Maßstäbe gesetzt – wie beispielsweise bei der Ski-WM 2003, dem ersten alpinen Großanlass, bei dem konsequent auf Nachhaltigkeit gesetzt wurde.
Am Anfang war – wie so oft – das Wasser: Seit der Bronzezeit wird in den Heilquellen von St. Moritz, den höchstgelegenen der Schweiz, gebadet. Sie sind noch dazu von besonderer Kraft, dank dem Zusammenspiel von Hochmoor und intensivem, alpinen Reizklima. Die Quellen halfen also mit, den legendären Ruf von St. Moritz zu begründen, und selbst weit angereiste Naturheilärzte wie Paracelsus priesen sie in den höchsten Tönen. Lange Zeit zählt die Quellkirche des heiligen Mauritius zu den beliebtesten Wallfahrtsorten Europas, ganze Fürsten- und Königshäuser kurierten sich im prickelnd wohltuenden Mineralwasser. Das geht immer noch – allerdings viel komfortabler und etwa als Teil eines ganzheitlichen Wellnessangebots.
Doch auch heute noch bleibt beim Anblick des von Corvatsch und Corviglia, Piz Nair und Schafkopf umringten Tals die Luft weg. Und dies nicht wegen der 1822 Meter Seehöhe. Das 5000-Seelen-Städtchen im Engadin gilt heute weltweit als Inbegriff eines exquisiten Ferienorts. Das haben sich die St. Moritzer 1987 sogar schützen lassen: Sie sind jetzt „Top of the World“, samt Logo und Namenszug. So ein Ruf verpflichtet. Und brach-
te die Zürcher „Weltwoche“dazu, den „draguns“, wie die St. Moritzer auf Rätoromanisch heißen, das Talent zuzuschreiben, „langfristig jedes Malheur in eine Goldgrube zu verwandeln“.
Damit sind natürlich nicht die zahllosen Prominenten gemeint, die seit dem Fin de Siècle St. Moritz mit ihrer zahlungskräftigen und publikumswirksamen Präsenz beehren. Diese Liste ist lang, die Namen sind glamourös. Zwischen den Skihütten und der berühmten Konditorei Hanselmann lustwandelten im Schnee stets die Stars ihrer Zeit: Caruso war hier, Charlie Chaplin und Marlene Dietrich, auch Alfred Hitchcock und Herbert von Karajan. Und die russische Ballettlegende Vaslav Nijinsky gab 1919 hier ihren letzten Auftritt, im fast privaten Rahmen, vor nur 200 Gästen.
Der Promifaktor hat nicht nachgelassen. Niederlands Königskind Willem-Alexander kam mit Máxima hierher für die Flitterwochen, König Carl Gustaf von Schweden und seine Silvia samt Anhang sind Stammgäste in St. Moritz. Zum alten Adel wie Bismarck oder Fürstenberg hat sich neuer Geldadel gesellt, wie Flick oder die Exfrau des US-Präsidenten, Ivana Trump. Auch Entscheidungsträger genießen die Auszeit im Engadin, von Angela Merkel und Wladimir Putin bis Berlusconi und Sarkozy.
Magnetwirkung haben nicht zuletzt hochkarätige Events mit internationaler Ausstrahlung: vom Ski-Weltcup und dem GourmetFestival bis zum „White Turf“-Pferderennen und den „Snow Polo World Cup“. Das weltweit erste Poloturnier auf einem gefrorenen See fand 1985 statt. Seither ist hier die internationale Elite dieses exklusiven Sports, um einander vor grandioser Bergkulisse den Ball abzujagen – im Rahmen der Cartier Trophy. Erfunden wurde dieser Wettkampf mit den trittsicheren Poloponys von den beiden Engadinern Reto Gaudenzi und Hans Peter Danuser. Inspiriert von dem – bereits traditionellen – „White Turf-Pferderennen. Der Erfolg gab den Veranstaltern recht: Heute verfolgen jedes Jahr rund 15.000 Besucher und 150 Journalisten direkt den dreitägigen Event.
Sie strahlen Grandezza aus und historisch gewachsenen Luxus: Die Fünf-SterneHäuser von St. Moritz blicken auf eine bewegte Geschichte zurück. Und auf eine überaus erfolgreiche. Denn die einzigartige Dichte an Spitzenhotels kommt nicht von ungefähr: Jedes Haus hat seit jeher seinen ganz eigenen Charme und seine ganz spezielle Klientel. Zu erleben – auch für NichtHotelgäste – zum Beispiel zur Tea Time, die hier mit viel Stil, aber unverkrampft zelebriert wird. Im Hotel Waldhaus in Sils etwa wird die Hotelkultur seit 1908 gelebt – inzwischen in der fünften Generation –, was auch den Besucher des geschichtsträchtigen Hauses in eine andere Zeit versetzt.
Adel und vor allem Geldadel nächtigen allerdings nicht immer in den großen Hotels. Die „Grandes Fortunes“sind vielmehr entlang der Via Suvretta zu finden, in prachtvollen Villen, die wenn, dann nur um zig Millionen Franken den Besitzer wechseln. Unter den glücklichen Besitzern waren Lebemänner, Industrielle und Reeder, von Gunter Sachs, Lakshmi Mittal, dem einstigen Schah Reza Pahlavi und Giovanni Agnelli bis Aristoteles Onassis und Stavros Niarchos.
Sie alle – wie auch die ganz gewöhnlichen Wintergäste aus den umliegenden Ländern und zunehmend den neuen Märkten wie Brasilien, Indien, China und den Golfstaaten – schätzen die belebende Wirkung des Tals. Wenn dann die Temperaturen sinken, spielt der Winter seine ganze Klasse aus. Dann beginnt die Luft im Engadin zu glitzern, als würde sie aus Millionen feinster Schneekristalle bestehen. Wer dann glaubt, vor Glück bersten zu müssen, dem sagen die Einheimischen gern, woran’s liegt: nämlich am Champagnerklima. Dass dann der erste Gedanke einem Gläschen des exquisiten Schaumweins gilt, ist ganz normal. Und hat durchaus seine Richtigkeit: Auch dies kann ganz schön prickelnd sein.